Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
Vom Netzwerk:
nicht zu bewerkstelligen. Hinzu kam, dass Zimbeck ein gemeingefährlicher Verbrecher war und dieses Land nach seinem Ableben in jedem Fall ein besserer Ort sein würde.
    Der zweite Grund: Seine Auftraggeber erpressten ihn. Sie hatten unverhohlen gedroht, seine Frau umzubringen, wenn er Zimbeck nicht beseitigte. Soweit sich Falcking erinnerte, erfüllte das den Tatbestand des entschuldigenden Notstands nach Paragraph zwanzig des Strafgesetzbuches. Man durfte ungestraft einen Menschen töten, wenn das die einzige Möglichkeit war, den eigenen Tod oder den eines nahen Angehörigen abzuwenden. In den Lehrbüchern gaben sie gern das Beispiel mit den zwei Schiffbrüchigen, die sich an einen Balken klammern, der aber nur einen von ihnen tragen kann. Man durfte den Leidensgenossen wegschubsen und dem sicheren Seemannstod preisgeben, um sich selbst zu retten. Das Gesetz respektierte das Recht des Einzelnen auf das eigene Überleben. War es hier nicht genauso? Entweder musste Zimbeck sterben oder Anette. Falcking hatte freilich Zweifel, ob seine Erpresser ihre Drohung wahr machen würden. Aber wer konnte das wissen? Sollte die Polizei ihn überführen, musste er unter allen Umständen verhindern, dass seine Auftraggeber bekannt wurden. Wenn die nämlich erzählten, dass Falcking Geld für den Mord haben wollte, würde das vor Gericht den Notstandsaspekt vermutlich unvorteilhaft in den Hintergrund treten lassen.
    Im Haus brannte Licht im oberen Stockwerk. Zimbeck bereitete seinen Abmarsch vor. Im Rückspiegel tauchten jetzt Scheinwerfer auf. Ein Wagen näherte sich und parkte etwa fünfzig Meter hinter Falcking. Die Scheinwerfer erloschen. Niemand stieg aus. Falcking überlegte, wer das sein mochte, und fand nur eine Erklärung: Es waren seine Auftraggeber, die sich davon überzeugen wollten, dass er seinen Job machte. Nun – sie sollten alles zu ihrer Zufriedenheit vorfinden.
    Im Erdgeschoss des Gasthauses ging Licht an. Kurz darauf ging es wieder aus und jemand kam mit Rucksack und einem kleinen Bierfass unter dem Arm um die Hausecke, stieg in eines der beiden auf dem Parkplatz abgestellten Autos und fuhr weg. Falcking prägte sich das auffällige T-Shirt mit der Batman-Figur und die Baseballkappe des Mannes ein. Er hatte keine Eile, Zimbeck nachzufahren. Er wusste, wo der hinwollte. Zu Falckings Erstaunen schaltete der Wagen hinter ihm die Scheinwerfer ein und folgte Zimbeck. Als der Wagen an Falcking vorbeifuhr, konnte er sehen, dass ein Mann darin saß. Es war aber keiner seiner Auftraggeber, soweit er das bei den schlechten Sichtverhältnissen beurteilen konnte.
    Falcking hatte nach dem entscheidenden Telefonat überlegt, wer Grund haben könnte, Zimbeck aus dem Weg zu räumen, und wer von dem Geld wusste. So wie Falcking Zimbeck einschätzte, war der keiner, der in der Gegend herumlief und jedem von seiner Beute erzählte. Vielleicht wusste seine Freundin Susi Lintinger davon. Vielleicht auch nicht. Falcking hatte recherchiert, dass Susi Lintinger einen Vater und einen Bruder hatte. Als er den Bruder zu Gesicht bekam und sich herausstellte, dass es der gleiche junge Mann war, der ihn vor zwei Jahren zusammen mit Zimbeck überfallen hatte, war für Falcking klar, wer ihn erpresste. Das erklärte auch, warum seine Auftraggeber wussten, dass Zimbeck heute eine Bergtour unternehmen wollte. Sie verfügten über eine Informationsquelle in Zimbecks unmittelbarer Nähe. Der Mann in dem Wagen, der gerade vorbeigefahren war, sah jedoch weder Susi Lintingers Vater noch ihrem Bruder ähnlich.
     
    Es war eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang, als Falcking das Wirtshaus auf der Galaun erreichte. Er war über das Alpbachtal aufgestiegen, nicht vom Parkplatz in Tegernsee Süd. Ohne Hast und mit Sorgfalt wählte er einen sichtgeschützten Platz im Gestrüpp auf der Rodungsfläche nördlich des Wirtshauses, montierte die Dragunow und das Stativ und nahm die Spitze des Riedersteins ins Visier.
    Dort oben bewegte sich etwas. Es war Zimbeck. Falcking war ein wenig verwundert, dass der schon oben war. Und das mit einem Zehn-Liter-Bierfass im Gepäck. Falckings Verwunderung weckte keine Zweifel in ihm, sondern bestätigte nur, was er über Zimbeck wusste: Er verfügte über nachgerade übernatürliche physische Kräfte. Der Mann dort oben war sportlich und muskulös gebaut, vielleicht einen Hauch schlanker, als Falcking Zimbeck in Erinnerung hatte, trug aber das markante T-Shirt mit dem Batman sowie die Baseballkappe. Auf der Bank vor der

Weitere Kostenlose Bücher