Schafkopf
Lutz allein in seinem Büro.
»Das ist jetzt der schwerste Teil«, sagte Wallner.
»Es muss doch nicht sein«, sagte Lutz. »Was habt ihr denn für Beweise, dass sie …?«
»Beweise haben wir gar keine. Sie wird es uns selbst sagen. Sie weiß, dass sie den Kummeder auf dem Gewissen hat, und das wird ihr keine Ruhe lassen.«
Lutz stöhnte auf. »Das ist pervers. Die Frau hat die Hölle durchgemacht, und du schickst sie ins Gefängnis.«
»Muss vielleicht auch nicht sein.«
Lutz sah Wallner fragend an.
»Nehmen wir mal an, sie hat doch niemanden auf dem Gewissen.«
Lutz schwieg. Ganz offensichtlich wusste er, was sein Chef damit meinte. Wallner drehte sich zu seinem Computer und öffnete eine MPEG -Datei. Der Riederstein war auf dem Standbild zu sehen, das jetzt den Bildschirm füllte.
»Kannst du dich erinnern? Wir hatten drei Theorien, wie man das mit den zwei verschiedenen Kugeln erklären könnte. Zwei Schützen, ein Schütze mit zwei Waffen, oder die eine Kugel steckte schon vorher in der Kapellenwand.«
»Und?« Lutz sah gebannt auf den Bildschirm.
»Ich glaube, ich habe eine vierte Möglichkeit gefunden. Ziemlich abstrus – aber denkbar. Ich bin draufgekommen, weil der Falcking sich geweigert hat, zu mir aufs Revier zu kommen. Und dann hat er noch etwas gesagt, das ich erst verstanden habe, als ich auf die vierte Möglichkeit gekommen bin. Er sagte: ›Sie können Ihre Leute in den Feierabend schicken. Wär vielleicht auch besser so.‹ Ich hab mir nichts weiter dabei gedacht. Aber er hat das ja nicht umsonst gesagt.«
Lutz war sichtlich angespannt.
»Ja. Die vierte Möglichkeit. Dabei hat übrigens der Umstand geholfen, dass Frau Kampleitner an dem Tag ihr neues Teleobjektiv ausprobieren wollte. Sie ist ziemlich früh da gewesen. Nicht so früh wie du. Aber zehn Minuten später. Das hat dazu geführt, dass sie diese Bilder von der Galaun aus machen konnte.«
Wallner startete den Film in seinem Computer. Er zeigte zunächst die Galaun mit dem Wirtshaus, frühmorgendliche Stimmung, blauer Himmel, aber noch keine Sonne. Nur ganz oben die Spitze des Riedersteins lag im Licht, das von hinten, aus dem Osten, kam. Nach einem kurzen Schwenk über die Galaun zoomte die Kamera an die Riedersteinkapelle heran. Dort vor der Schindelwand war Bewegung, ein Mensch. Lutz, wie man jetzt erahnen konnte. Sein Spurensicherungskoffer stand neben ihm, und er arbeitete an einer Stelle rechts oberhalb der Blutspritzer, verdeckte aber durch seinen Körper, was seine Hände machten.
»Was machst du da gerade?«, fragte Wallner.
»Ich hol die Kugel aus der Holzwand.«
»Hab ich mir auch gedacht. Aber schau dir mal das an.« Wallner hielt das Bild an und deutete auf eine Stelle neben den Blutspritzern. »Da, dieser dunkle Fleck, ist das das Einschussloch?«
»Denke ja«, sagte Lutz. »Müsste man mit den Fotos vergleichen.«
Wallner nahm einen Aktendeckel aus einer Ablage seines Schreibtisches. Er enthielt Tatortfotos. Eines der Bilder zeigte die Kapellenrückwand. Weiß umkreist war dort das Einschussloch der Kugel markiert. Wallner hielt das Foto neben den Bildschirm. Die Stelle war die gleiche.
»Also«, sagte Wallner, »definitiv das Einschussloch. Jetzt pass auf!« Wallner spulte den Film zurück bis fast an den Anfang der Aufnahmen. Dort war eine Passage, in der Lutz die Einschussstelle noch nicht mit seinem Körper verdeckte. Wallner hielt sie an und vergrößerte das Bild. »Fällt dir was auf?«
Lutz schwieg.
»Das Einschussloch ist noch nicht da.«
Lutz starrte auf den Boden und nickte.
»Du hast die Kugel in die Kapellenwand gesteckt. Warum?«
»Ich hab gedacht, wenn wir eine Kugel aus einer Dragunow finden, deutet das auf einen Profi aus Osteuropa hin. Und damit ist die Aussicht, den Täter zu kriegen, gleich null. Das weiß jeder.«
»Wo hattest du die Kugel her?«
»Aus der Asservatenkammer. Die war von dem Autobahnmord vor acht Jahren. Geschossen hab ich mit meiner Remington. Steht zu Hause im Waffenschrank.«
»Offenbar hatte auch Falcking vor, Zimbeck zu erschießen. Aber du bist ihm zuvorgekommen. Und anscheinend hat er dich auf der Galaun gesehen. Kannte er dich?«
»Ich bin öfter als Zeuge vor Gericht. Ich glaub, in irgendeinem Prozess war der Falcking Verteidiger.«
»Dass sich Falcking eine Dragunow besorgt hat, war natürlich Zufall. Andererseits – so selten sind die Dinger ja nicht.«
»Nein.«
Die beiden Männer schwiegen eine ganze Weile. Es gab nichts Vernünftiges zu
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