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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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Kirche stand das kleine Bierfass. Damit war jeder Zweifel ausgeschlossen. Es war Zimbeck. Auch wenn das Gesicht nur schlecht zu erkennen war, denn er hatte den Schirm der Kappe tief ins Gesicht gezogen.
    Falcking nahm sein Opfer ins Visier. Er hatte diesen Augenblick gefürchtet. Den Augenblick, in dem er abdrücken, in dem er ein Menschenleben auslöschen musste. Er hatte Angst zu zittern, zu zögern, überwältigt zu werden von der Ungeheuerlichkeit seines Vorhabens und unverrichteter Dinge den Berg wieder zu verlassen. Nichts davon trat ein. Falcking war ruhig und ging geschäftsmäßig ans Werk. Einzig der Gedanke, dass ein Wanderer des Wegs kommen und ihn sehen könnte, bereitete ihm Sorge und trieb ihn zur Eile. Die Sicht war leidlich gut, der Föhn hatte nachgelassen, er war ungestört und das Zielobjekt auf dem Präsentierteller. Jetzt war der Augenblick, den Mann zu erschießen. Falcking nahm die Baseballkappe ins Visier, als sein Opfer sich auf das die Kapelle umgebende Geländer lehnte und bewegungslos auf den See hinunterblickte. Langsam schob sich das Fadenkreuz über den Kopf des Mannes. Falcking atmete ruhig und legte den Finger an den Abzug. Da bewegte sich der Mann mit einem Mal, ging einen Schritt vom Geländer weg und sah in Richtung Kapelle. Dort tauchte ein Jogger auf. Der Mann und der Jogger wechselten ein paar Sätze. Dann lehnte sich der Jogger über das Geländer an der Südseite der Kapelle. Der andere machte drei Schritte, blieb vor der rückseitigen Kapellenwand stehen und blickte wieder ins Tal. Falcking musste sich beeilen. Wenn der Jogger vor Zimbeck trat und ein Gespräch anfing, war es vorbei. Auf die Entfernung war die Gefahr zu groß, dass er den Falschen erschoss. Der Mann stand für einen Augenblick regungslos, wieder fing das Fadenkreuz seinen Kopf ein. Das Gesicht war undeutlich zu erkennen. Es sah etwas anders aus, als Falcking es in Erinnerung hatte. Aber Gesichter änderten sich eben je nach Blickwinkel und Beleuchtungsverhältnissen. Falcking entschied, sich nicht mit nutzlosen Grübeleien aufzuhalten. Er legte erneut den Finger an den Abzug. Im gleichen Augenblick erschien wie durch Zauberhand ein trichterförmiger roter Fleck auf der Rückwand des Kirchleins, und der Mann vor der Kapelle sank kopflos zu Boden. Jetzt plötzlich zitterte Falcking, betrachtete konsterniert sein Gewehr, roch daran. Kein Zweifel – er hatte nicht geschossen. Zwar hatte er einen Schuss gehört, doch war das nicht seine Dragunow gewesen. Der Schuss kam von weiter weg. Falcking wagte nicht aufzustehen. Er spähte durch den Lichtungsbewuchs. Etwa dreißig Meter links bewegte sich etwas. Falcking schwenkte sein Zielfernrohr in diese Richtung. Dort baute tatsächlich jemand ein Präzisionsgewehr auseinander und verstaute es in einem Rucksack. Dann blickte sich der Mann um, nahm den Rucksack sowie einen Arbeitskoffer, den er zusätzlich dabeihatte und dessen Funktion sich Falcking nicht erklären konnte, und ging fort, Richtung Wald, wo er kurz darauf verschwand. Falcking hatte den Mann nur kurz gesehen. Aber er hatte ein gutes Gedächtnis für Gesichter. Und dieses Gesicht kannte er. Während Falcking sein Gewehr verstaute, kam die Erinnerung wieder. Er hatte mit dem Mann schon einmal beruflich zu tun gehabt. Es irritierte Falcking sehr, dass dieser Mann ihm gerade die Arbeit abgenommen hatte. All die Sorgen, die er sich gemacht hatte, all die Depressionen, die er ausgestanden hatte – sie waren umsonst gewesen. Er hatte sich nicht schuldig gemacht. Hatte sich nicht für den Rest seines Lebens etwas auf die Schultern geladen, das ihn bis zu seinem Ende verfolgen würde. Nein, ein anderer hatte es für ihn erledigt. Heute war sein Glückstag. Seine lange Pechsträhne hatte ihr Ende gefunden. Falcking trat beschwingt den Rückweg an. Wäre er weniger guter Laune gewesen, hätte er möglicherweise bemerkt, dass er beobachtet wurde. Neben dem Wirtshaus stand Zimbeck, sah Falcking und dass aus dessen Rucksack ein Gewehrlauf ragte, und machte sich seine Gedanken.

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69 . Kapitel
    M ike hatte sich in der Waffenkammer ein Präzisionsgewehr besorgt und es in seinem Rucksack auf den Berg mitgenommen, in der Annahme, dass man es dort oben unter Umständen gebrauchen könnte. Der Schuss war ein Zufallstreffer. Mike hatte selbst nicht damit gerechnet. Zimbecks Leiche war inzwischen am Fuß der Halserspitze gefunden worden. Susi hatte man ins Krankenhaus gebracht. Sie stand unter Schock. Wallner war mit

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