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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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Großvater.«
    Sie trotteten eine Weile stumm nebeneinanderher. Die Stationen des Kreuzwegs glitten an ihnen vorbei, unbeachtet.
    »Du gibst nicht gern was von dir preis«, sagte Vera.
    »Wieso? Nur weil ich nicht möchte, dass eine alte Frau, die ich nicht kenne, intime Details über meinen Großvater erfährt?«
    »Nein, das hat damit nichts zu tun. Es ist nur so, du … du bist immer souverän, du gerätst nie aus der Fassung, dein Schreibtisch ist perfekt aufgeräumt, du machst Witze, wenn man dir zu nahekommt. Mit einem Wort: Du hast immer die Kontrolle über die Situation. Ich glaube, du bist ein Kontrollfreak.«
    »Hochinteressant. Und weißt du, warum?«
    »Sag’s mir.«
    Wallner blieb stehen, um Luft zum Reden zu schöpfen. »Das klang eben so, als würdest du dich selber beschreiben.«
    »Ja. Mag sein. Aber um mich geht’s gerade nicht. Es geht um dich. Aber das ist dir schon wieder unangenehm. Also versuchst du, vom Thema abzulenken. Um nicht die Kontrolle zu verlieren. Das ist das eigentlich Interessante.«
    Wallner ging weiter. »Ich hab keine Angst davor, über mich zu reden. Ich finde es nur sinnlos. Ich meine, wozu sollten wir über mich reden?«
    »Ich find’s zum Beispiel interessant.«
    »Ja, du. Ich find’s nicht so interessant. Ich weiß, wie ich bin. Da muss ich nicht mit anderen Leuten drüber diskutieren.«
    »Entschuldige. Ich wusste nicht, dass du der einzige Mensch auf diesem Planeten bist, der selber weiß, was er für Macken hat.«
    »Ich bin nur der Einzige, der es zugibt.« Wallner grinste sie an.
    »O nein! Wir werden das nicht wieder ins Spaßige ziehen. Gib einfach zu: Es interessiert dich eigentlich, wie andere dich sehen. Aber du hast Angst, es zu erfahren.«
    »Okay. Ich bin in deinen Augen also ein verschlossener Kontrollfreak. Und ja, ich hab das bis jetzt eigentlich noch nicht so gesehen. Und noch mal ja: Ich könnte mir ein schöneres Thema vorstellen, wenn ich an einem herrlichen Oktobertag durch den bunten Herbstwald auf den Berg gehe. Und jetzt?«
    Vera sah Wallner an, als sei er ein seltenes Insekt. »Und jetzt!? Ja vielleicht möchtest du dran arbeiten. Darüber reden. Ein bisschen offener werden, mal die Kontrolle abgeben. Glaub mir, das macht vieles leichter.«
    »Du redest jetzt aber nicht aus eigener Erfahrung?«
    »Doch. In gewisser Weise.«
    Wallners Miene sagte, dass er ihr kein Wort glaubte.
    »Nicht dass ich Expertin darin bin, wie entspannend es ist, die Kontrolle abzugeben. Oder sich anderen gegenüber zu öffnen. Aber ich arbeite an mir. Ich versuche zumindest, mich in der Hinsicht zu ändern.«
    »Hat so ein Versuch mal in meiner Anwesenheit stattgefunden?«
    Vera warf ihm einen genervten Blick zu. »Na meinetwegen. Du bist ein verschlossener Kontrollfreak und siehst keinen Anlass, daran etwas zu ändern.«
    »Ja. Für dienstliche Beziehungen finde ich das völlig in Ordnung.«
    In Veras Gesicht stritten Fassungslosigkeit, Ärger und Enttäuschung miteinander. »Dienstliche Beziehungen – okay.« Sie beschleunigte ihren Schritt, blieb dann aber abrupt stehen. »Woher kommt diese Freude daran, mich ständig vor den Kopf zu stoßen?«
    Wallner sah sie mit offenem Mund an, ohne dass er zunächst eine Antwort hervorbrachte. Er war ein Rindvieh. Daran gab es keinen Zweifel. Sie hatte versucht, sich ihm zu nähern, ein kleines bisschen von ihm zu greifen, seine Maske zu lüften und dahinter zu schauen. Sie interessierte sich für ihn, weil sie ihn auf irgendeine Art mochte. Sie hatte ihn provoziert. Aber warum? Weil das ihre Art war? Vielleicht. Vielleicht aber auch, weil er anders nicht zu knacken war. Weil man mit dem Hammer auf die dicke Nussschale hauen musste, um sie zu öffnen. Und wie hatte er reagiert? Er hatte getan, was er immer tat: Er war souverän geblieben, hatte jeden Ball mit lässiger Geste retourniert, sich dann aber in seinem eigenen rhetorischen Gebäude verlaufen, bis er vor einer Mauer stand, die er mit dem Vorschlaghammer einreißen musste.
    »Es macht mir gar keinen Spaß. Es … es passiert einfach so. Tut mir leid.«
    Sie waren wieder stehen geblieben. Sie sah ihn stumm an. Da musste schon noch mehr kommen, um den angerichteten Schaden wiedergutzumachen.
    »Ich wollte damit nicht sagen, dass ich dich menschlich uninteressant finde.«
    »Da bin ich ja erleichtert.«
    »Es macht die Sache übrigens nicht einfacher, wenn
du
jetzt ironisch wirst.«
    »Du hast recht. Sorry.«
    Wallner sagte nichts dazu. Vielmehr blickte er auf einmal

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