Schafkopf
Das hatte sich Kummeder einiges Geld kosten lassen. Er war besessen gewesen von dem Gedanken, dass seine Freundin, die Kummeder nach Pikowskis Eindruck über alle Maßen liebte, entführt worden war. Natürlich habe er, Pikowski, nachgefragt, warum denn die Polizei in der Sache nicht tätig geworden sei. Ein Herr Kreuthner von der Miesbacher Polizei habe ihm gesagt, es gebe keinen Anhaltspunkt für ein Verbrechen oder für Selbstmord. Es deutete vielmehr alles darauf hin, dass sich Frau Hoogmüller abgesetzt habe und von ihrem Freund nicht gefunden werden wollte. Kummeder habe das als Unsinn abgetan, gar eine Verschwörung vermutet. Selbst die Tatsache, dass sich die angeblichen Entführer nicht gemeldet hatten, ließ Kummeder nicht an seiner Theorie zweifeln. Er wähnte seine Freundin irgendwo in einem Kellerverlies, in dem ihr furchtbare Dinge angetan würden. Bei seinen Recherchen habe Pikowski herausgefunden, dass Kummeder selbst seiner Freundin Schlimmes angetan hatte, so dass ihm schon Zweifel gekommen waren, ob es ethisch überhaupt vertretbar sei, die Gesuchte zu finden. Die Frage sei aus zweierlei Gründen letztlich nicht relevant geworden: Zum einen habe er die Frau ja nicht gefunden. Zum anderen habe er vor einiger Zeit die Suche abgebrochen, weil sein Auftraggeber nicht mehr willens oder in der Lage war, die ausstehenden Honorare zu bezahlen. Die gesuchte Kathi Hoogmüller hatte keine Angehörigen, die sie vermissten. Ihr Vater war unbekannt und ihre Mutter schwerste Alkoholikerin. Sie befand sich in einer Entzugseinrichtung. Die Frau hatte seit vier Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrer Tochter gehabt. Es sei also nicht verwunderlich, fuhr der Detektiv fort, dass sich Kathi Hoogmüller nicht bei ihrer Mutter gemeldet habe. Pikowski hatte auch eine Schulfreundin der Vermissten ausgemacht, die nach München gezogen war und bis zuletzt unregelmäßigen Kontakt zu ihr hatte. Interessanterweise war dieser Kontakt im Juni 2007 abgerissen. Weder Anrufe noch E-Mails der Freundin wurden beantwortet. Kathrin Hoogmüllers E-Mail-Account sei übrigens 2008 mangels Aktivitäten eingestellt worden. Das alles mochte seinen Grund darin haben, dass Kathrin Hoogmüller keine Spuren hinterlassen wollte. Doch habe er, Pikowski, bei seinen Recherchen immer wieder den Eindruck gehabt, dass an dem Verdacht seines Auftraggebers doch etwas dran sein könnte. Seit dem 15 . Juni 2007 sei Frau Hoogmüller jedenfalls wie vom Erdboden verschluckt.
Auf dem Rückweg erhielt Wallner kurz vor dem Irschenberg einen Anruf. Jonas Falcking, der Rechtsanwalt, sagte, er sei bereit, Wallner zu treffen. Da sich Wallner ohnehin auf der Autobahn befand, schlug Falcking ein Treffen im Restaurant des nahe der Autobahnausfahrt Holzkirchen gelegenen Golfclubs in Valley vor. Die Atmosphäre sei ruhig, gediegen und angenehm. Und das Lokal vermutlich leer, denn bei dem Nebel könne niemand Golf spielen.
Zwanzig nach drei fuhren Wallner und Mike auf dem Parkplatz der Golfanlage vor. Der Club war erst wenige Jahre alt. Die Spielbahnen hatte man auf dem ehemaligen Gelände von Radio Free Europe angelegt. Früher hatte dort eine zyklopenhafte Sendeanlage westliche Propaganda nach Osteuropa gefunkt. Den Sender hatte man zur Freude der elektrosmogverängstigten Anwohner abgebaut, das flache Terrain onduliert und mit Fairways, Grüns und Bunkern versehen. Es war an nichts gespart worden, das Ziel hochgesteckt. Man wollte, so die Gerüchte, den Ryder Cup eines Tages nach Valley holen. Die Kommissare gingen zum Clubhaus, das sich jenseits des Parkplatzes nur schemenhaft abzeichnete, vorbei an einem Putting Green, auf dem zwei unbeirrte Golfspieler Bälle in die Löcher schubsten. Gegenüber auf der Driving Range hatte man das Flutlicht angemacht. Das änderte nichts daran, dass die abgeschlagenen Bälle nach dreißig Metern vom Dunst verschluckt wurden. Auch hier waren zwei Herren und eine Dame, die das nicht störte, mit Eifer zugange.
Die Bedienung sah von ihrer Zeitschrift auf, als die beiden Männer das Restaurant betraten. Wallner und Mike setzten sich an einen Tisch in der hintersten Ecke des Lokals, um das anstehende Gespräch in größtmöglicher Privatheit führen zu können, und ignorierten den Anflug von Genervtheit in den Augen der Bedienung, die für die einzigen Gäste im Raum jetzt die längstmögliche Strecke zurücklegen musste. Zwei Tassen Kaffee später war Falcking immer noch nicht da. Wallner rief ihn auf dem Handy an. Falcking
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