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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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denn jetzt hat er »herg’langt«. Zimbeck ist von nun an im Recht und lupft den anderen von der Bierbank, um ihn handgerecht zu haben beim Herfotzen. Auch damit der andere sich nicht unter den Biertisch verkriecht, alles schon dagewesen, aber nicht mit Zimbeck, der kennt das und baut vor. Schreie um ihn herum, ein paar Burschen kommen angelaufen, Security, kräftige Kerle vom Land, aber wie sie sehen, mit wem sie es zu tun haben, traut sich keiner ran. Sie versuchen, Zimbeck zu beruhigen, auch Susi redet auf ihn ein. Aber ihr Freund ist im Blutrausch und drischt und tritt auf den anderen ein, bis der sich nicht mehr rührt.
    Der Waldfestbesucher aus München verbrachte mehrere Wochen im Krankenhaus und konnte auch zwei Jahre danach nur eingeschränkt laufen, weil Zimbeck sein Kniegelenk zertrümmert hatte. Dafür verurteilte man Zimbeck zu zwei Jahren und neun Monaten, von denen er eineinhalb Jahre absaß und dann auf Bewährung entlassen wurde. Für die Sache mit dem Anwalt hatte er noch einmal ein Jahr bekommen und musste auch die restlichen fünfzehn Monate seiner Bewährung verbüßen. Heute würde er freikommen.
    Susi hatte Angst. Sie wollte nicht mehr mit Zimbeck zusammen sein. Doch wie sie das anstellen sollte, wusste sie nicht. Einst war Zimbeck ihr weißer Ritter gewesen. Er hatte sie von ihrer Familie befreit. Die bestand nach dem frühen Tod der Mutter aus dem Vater, dem älteren Bruder Daniel und dem jüngeren Bruder Harry. Vater Johann Lintinger handelte seit den Achtzigerjahren mit Gebrauchtwagen, hatte aber weder ein Gewerbe angemeldet noch je einen Cent Steuern für seine Einkünfte bezahlt. Das galt naturgemäß auch für Lintingers andere Geschäftsfelder wie Drogenhandel in kleinen Margen, Hehlerei, Diebstahl und illegales Glücksspiel. Offiziell betrieb Lintinger mit seinen Söhnen einen Schrottplatz im Mangfalltal.
    Nach dem Tod der Mutter hatte Susi im Alter von fünfzehn Jahren deren Stelle in der Familie eingenommen. Das bedeutete putzen, kochen und die männlichen Mitglieder der Familie bewundern, wenn sie es mit irgendeiner Gaunerei geschafft hatten, fünfhundert Euro nach Hause zu bringen. Fast hätte Susi auch im Bett des Vaters die Stelle der Mutter eingenommen. Dazu kam es nur deswegen nicht, weil Susis Bruder Daniel zur Tür hereinkam, als Vater Lintinger schon die Hand unter Susis T-Shirt hatte. Es war nicht die Empörung darüber, dass der Vater sich an der Schwester vergehen wollte, die die Brüder zornig machte. Es war die Treulosigkeit des Vaters gegenüber der verstorbenen Mutter, die sie ihm vorwarfen. Lintinger räsonierte, was für prüde Arschlöcher er da großgezogen habe, ließ Susi aber seitdem in Ruhe.
    Das machte ihr Leben nicht leichter. Als Rache für die empfangene Demütigung (seine, nicht Susis) ließ Lintinger seine Tochter nicht mehr aus dem Haus und verbot ihr, Freunde mitzubringen. Das war schon früher selten vorgekommen. Lintingers Haus war keine gastliche Adresse. Vater und Brüder verhielten sich grob und abweisend zu den Freunden ihrer Schwester. Wer einmal bei den Lintingers gewesen war, kam so schnell kein zweites Mal. Eine Freundin hatte Susi immerhin. Mit Kathrin Hoogmüller war sie auf die Hauptschule gegangen. Mit ihr traf sie sich heimlich, wenn niemand zu Hause war. Auch telefonierten die Mädchen jeden Tag.
    Kurz nach Susis achtzehntem Geburtstag an einem warmen Nachmittag im Juli rief Kathrin an und fragte, ob Susi aufs Waldfest nach Enterrottach mitgehen wolle. Susi sagte, das würde ihr Vater nicht erlauben. Doch Kathrin hielt dagegen, Susi sei achtzehn und müsse ihren Vater nicht mehr um Erlaubnis fragen. Und was das überhaupt für eine Sauerei sei, dass sie nie weggehen dürfe und für Vater und Brüder die Dienstmagd spiele. Das gehe so nicht weiter. Nötigenfalls werde Kathrin sie zum Waldfest abholen und Susis Vater erzählen, was sie von ihm halte. Susi war in Panik geraten. Nicht auszudenken, wenn Kathrin tatsächlich auftauchen und ihre Meinung zu den Familienzuständen sagen würde. Andererseits – Kathrin hatte recht. Es musste sich etwas ändern. Und so war Susi an jenem Tag von zu Hause ausgerissen und per Anhalter zum Waldfest gefahren, wo sie Kathrin in Begleitung zweier junger Burschen angetroffen hatte. Der eine hörte auf den seltsamen Namen Stanislaus und schien Gefallen an Kathrin zu finden. Er war groß und kräftig und hatte dunkel geränderte, wache Augen, die Klugheit verrieten. Der andere war ebenfalls groß und

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