Schafkopf
noch kräftiger gebaut. Er hatte das Lächeln eines Mannes, der gewohnt war zu siegen. Jenes Lächeln, mit dem er Susi anlächelte, als sie sich vorgestellt wurden, und das sagte: Ich will dich und ich krieg dich. Das hatte Susi außerordentlich gefallen, und sie hatte sich dicht neben ihn auf die Bierbank gesetzt. Und als der junge Mann, der Peter Zimbeck hieß, wenig später seine Hand um ihre Hüften legte, war sie noch näher an ihn herangerutscht.
Es war schon dunkel gewesen, da hatte Zimbeck angeboten, eines der guten Grillhendl zu holen, für die man eine halbe Stunde anstehen musste. Zimbeck war schon eine Zeitlang weg, da legte sich eine Hand auf Susis Schulter und sie hörte die Stimme ihres Vaters sagen: »Du spinnst ja wohl!«
Unmittelbar darauf schlug die Hand, die auf ihrer Schulter geruht hatte, Susi heftig ins Gesicht. Mit ihrem zuschwellenden Auge konnte Susi noch erkennen, dass auch die Brüder hinter dem Vater standen. Ihre Haltung ließ keinen Zweifel, dass das Waldfest für Susi vorbei war.
In diesem Augenblick war Zimbeck mit dem Hendl zurückgekommen. Kein Wort, keinen Blick hatte er an Johann Lintinger und dessen Söhne verloren, hatte sich zu Susi gebeugt und ihr den Pappteller mit dem Hendl hingestellt. Dann hatte er ihr Auge angeschaut und gesagt, es sei geschwollen und wie das gekommen sei, und war dabei ganz ruhig geblieben. Susi hatte trotzdem noch Angst gehabt und hatte nichts gesagt, nur zu ihrem Vater geschaut, den jetzt auch Zimbeck zu bemerken schien. Der Vater war zwei Schritte zurückgegangen und hätte gern vollständig den Rückzug angetreten. Aber das ging nicht, ohne das Gesicht zu verlieren. Dies, sagte Johann Lintinger mit um Fassung bemühter, aber brüchiger Stimme, sei seine Tochter und die komme jetzt mit ihm nach Hause. Er sah Zimbeck in die Augen, Daniel und Harry stellten sich neben den Vater, eine, wie sie hofften, bedrohliche Phalanx bildend, kampfbereit und nicht willens, Kompromisse in Fragen der Familienehre einzugehen. Peter Zimbeck betrachtete die drei, ließ den Blick langsam an jedem von unten nach oben gleiten und verzog keine Miene. Schließlich sagte er: »Verpisst’s euch.« Dann drehte er ihnen den Rücken zu und begann sein Hendl zu verspeisen. Eine halbe Minute standen die Lintingers ratlos an Ort und Stelle und starrten Zimbecks gewaltigen Latissimus an, der das Trachtenhemd dehnte. Am Ende traf der alte Lintinger eine Entscheidung, drehte sich um und ging. Seine Söhne folgten ihm, geschlagen und vor Wut kochend.
Von jenem Tag an war Susi frei. Nach einiger Zeit jedoch wurde ihr klar, dass sie ihr altes Gefängnis nur gegen ein neues eingetauscht hatte. Peter Zimbeck betrieb ein Wirtshaus im Mangfalltal. Susi zog zu Zimbeck in die Wohnung, die über der Wirtsstube lag, und arbeitete jetzt jeden Tag in der Gastronomie. Es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, nach Lohn zu fragen. Es war wie zu Hause. Sie hatte Wohnung und Essen, und Zimbeck kaufte ihr ab und zu schöne Sachen zum Anziehen. Erst öfter, dann seltener. Dann fing er an, sie zu schlagen. Erst selten, dann öfter. Das war zu einer Zeit, zu der Susis Familie ihren Frieden mit den Zuständen gemacht hatte. Auch Zimbeck hatte einen Hang zu kriminellen Geschäften. Man verstand sich bald und machte gemeinsame Sache. Es fiel den Lintingers durchaus auf, dass Susi geschlagen wurde. Aber das hatte sie sich selbst ausgesucht. Dann sollte sie auch selbst damit fertig werden. Einzig Susis älterer Bruder Daniel hatte einmal etwas zu Peter gesagt, dass es nicht recht sei, wenn er Susi schlage. Doch Daniel musste schon bald ins Ausland gehen, denn er hatte sich einer Bande von Autodieben angeschlossen und war dabei aufgeflogen.
Susi hatte Angst. Sie konnte mit dem Mann, der gleich aus der Gefängnistür treten würde, nicht mehr zusammen sein. Sie liebte ihn nicht mehr. Sie liebte jetzt einen anderen. Zwei Jahre hatte sie das Wirtshaus alleine geführt. Viele Männer hatten ihren Weg gekreuzt. Einige hatten mit der jungen Wirtin geflirtet, andere waren zudringlich geworden. Alle hatte sie zurückgewiesen. Bis eines Tages einer gekommen war, der ihr Herz rührte. Er war nicht schön, nicht kräftig, nicht reich und so schüchtern, dass er sich lange nicht getraut hatte, sie anzusprechen. Aber sie hatte seine Blicke gespürt und gemerkt, dass er immer öfter kam. Auch zum Sommerfest der Feuerwehr war er gekommen, obwohl er mit der Feuerwehr gar nichts zu tun hatte. Er war lange geblieben. Er war
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