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Schalmeienklänge

Schalmeienklänge

Titel: Schalmeienklänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Leonore meinem Denken entriß, wieviel du über die Seelenjägerei weißt.«
    »Dann, weil ich es nicht ertragen konnte, dich sterben zu lassen.«
    Und auch das war eine Lüge. »Nein, Brant. Du brauchtest mich, um Leonore zu entdecken, daß du die Weißen Schalmeien gefunden hast. Du wolltest, daß sie das glaubte, und sie glaubte es auch. Aber ich glaube es nicht.«
    Zum ersten Mal, seit ich den Betäubungsring angewandt hatte, sah ich aufrichtigen Schrecken in seinem Gesicht. Er brauchte einen Augenblick, bis er sich wieder gefangen hatte.
    »Schneid mich los, Fia. Keiner von uns beiden hat etwas zu gewinnen, wenn man uns so entdeckt.«
    »Brant, wo ist Jorry? Sag es mir, dann werde ich auch Leonore nicht verraten, daß du die Weißen Schalmeien gar nicht hast.«
    »Das wirst du ihr ohnehin nicht sagen. Es würde dich nur das Leben kosten. Und ist es dein Leben wert, das meine zu gefährden? Das könntest du jetzt einfacher haben mit meinem eigenen Dolch. Warum nicht? Wolltest du nicht auch meine eigene Droge gegen mich einsetzen, und hast du nicht von meinem Gold den Betäubungsring gekauft?«
    Diebin, Lügnerin, Hure.
    »Binde mich los, Fia. Du hast nichts zu gewinnen.«
    Das stimmte, das hatte ich nicht. Unwillkürlich brannten mir Tränen hinter den Augenlidern. Schwäche, Dummheit! Mein großer Plan, für den ich intrigiert hatte und Risiken eingegangen war, wie ich sie haßte, hatte zu nichts geführt. Ich war Jorry kein Stückchen näher gekommen, war nicht besser gegen die Machenschaften und Manipulationen derer geschützt, die über höhere Künste verfügten als ich, und war mir auch nicht sicherer, ob Brant mich benutzte oder schützte und zu welchem Zweck. Ich hatte nichts gewonnen.
    Mein Messer schwebte über Brants Körper. Dann stieß ich senkrecht nach unten und durchtrennte seine Fesseln. Im gleichen Augenblick erklangen zwei Geräusche und schwollen an, um den Sonnenliegesaal zu erfüllen: der herrliche Gesang der erwachten Zyrette und das Läuten der Glocken im Ostturm des alten Schlosses, die lautstark verkündeten, daß die Königin von einem Sohn entbunden worden war.

 
8
     
     
    Brant saß auf dem Steinboden und rieb sich die Knöchel, wo ich sie gefesselt hatte. Die Glocken wollten gar nicht verstummen mit ihrem freudigen, schwingenden Gesang, und nun stiegen vom Hof her Rufe und wilde Jubelschreie auf, deren Worte der Wind davontrug. Brant schaute mich an, und in seinen Augen sah ich das eine Gefühl, das ich in all seinen verwirrenden Stimmungswechseln und Schwankungen seit meiner Ankunft in Veliano nicht an ihm erlebt hatte: Angst. Brant hatte Angst. Ich hielt ihm entgegen: »Du hast die Schalmeien auch auf deiner jüngsten Reise nicht gefunden.«
    »Nein.«
    »Und Jorry hast du auch nicht besucht.«
    »Nein.«
    »Und dieses Baby, dieser Erbe…«
    Er packte mein linkes Handgelenk. Unter seiner Berührung zuckte ich zurück; mein Körper erinnerte sich nur, daß er geschlagen worden war, nicht, warum. Doch er erinnerte sich auch an andere, weiter zurückliegende Berührungen, so daß ich Brant heftig meine Hand entzog. Er tat, als bemerkte er es nicht.
    »Fia. Dieser Erbe… Rofdal hat ihn sich mehr gewünscht als alles andere. Wenn der Junge kräftig und gesund ist, wird Leonore weit größeren Einfluß auf den König gewinnen. Einfluß und Macht.«
    »Die besitzt sie doch schon.«
    »Sie besaß sie, ja, aber in Maßen. Du mußt…«
    Ich fiel ihm ins Wort. Mir war ein häßlicher Gedanke gekommen. »Leonore hat Macht besessen, aber in beschränktem Umfang. Beschränkt durch andere, die wiederum Einfluß beim König hatten. So wie deine Frau.«
    Brant beobachtete mich kalt, aber ich fuhr fort. »Wußtest du das, Brant? Hast du sie etwa ermutigt, um Leonores Stellung zu schwächen, auch wenn du damit Cynda zum Werkzeug und dich zum Hahnrei machtest?«
    Sein Gesichtsausdruck blieb unverändert, aber aus seiner Stimme klangen Wut und Schmerz. Aus meiner eigenen Wut und meinem eigenen Schmerz sah ich die seinen mit Genuß: Ich hätte sie noch gesteigert, wenn es möglich gewesen wäre.
    »Du faselst von Situationen, Fia, die du überhaupt nicht verstehst.«
    »Und du verstehst sie? Verstehst du, warum Lady Cynda mit dem König zu Bett geht und dann um den Körper ihres Ehemannes buhlt? Bereitest du dergleichen vor, Brant, wie du dafür gesorgt hast, daß ich um Jorry bettelte? Cynda, ich… worum mußte eigentlich Ard betteln, Brant? Oder hat sie gar nicht gebettelt, so daß es gar keine

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