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Schalmeienklänge

Schalmeienklänge

Titel: Schalmeienklänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Rolle spielte, daß deine Frau sie umbringen ließ?«
    Er hatte mir den Rücken zugekehrt; ich konnte sein Gesicht nicht sehen. Aber er ballte die Fäuste, und nicht einmal das vermochte mich aufzuhalten. Ich hatte nun ebenso die Gewalt über mich verloren wie Cynda, und es war mir egal, was ich sagte, solange es ihn nur verletzte.
    »Warum nimmt deine Frau Sachen von dir an sich, Brant? Warum? Ich habe es gesehen: deinen Handschuh bei der Jagd, deinen Hut, deinen Becher bei Tisch. Sie nimmt sie dir ab und trägt sie fort. Ist das Leidenschaft, oder spielt auch sie in einer Geschichte mit, die du inszeniert hast, bei der sie sogar auf deine Anweisung mit dem König schläft? Oder könnte es ihre Geschichte sein, und all die gestohlenen Gegenstände sind Teil einer Falle, bei der sie dem König von Ard und dir erzählt? Vielleicht solltest du das in Betracht ziehen, Mylord Brant. Ich kann nichts gegen dich unternehmen, wie du selbst sagtest, solange du Jorry festhältst – Cynda aber ist dazu wohl in der Lage. Ihren Sohn hältst du nicht gefangen. Ein schwaches Glied in deiner Kette – wie kannst du sicher sein, sie in der Hand zu haben, wenn du ihr nicht mit ihrem Kind drohen oder Versprechungen machen kannst?«
    Er wirbelte zu mir herum. »Ich könnte ihr deines versprechen.«
    Einen Augenblick lang glaubte ich, dies wäre sein Ernst. Der Raum um mich her wurde schwarz, und Panik und Übelkeit wogten über mich hinweg. Dann stand Brant neben mir, packte meinen Arm und fluchte leise und schnell in seinem Zorn vor sich hin. »Du hast es geglaubt, Fia, verdammt noch mal! Selbst das würdest du mir zutrauen, trotz allem, was du erraten hast. Treib mich nicht zu weit, Fia. Geh – fort vom Palast und fort aus Veliano. Du bist jetzt nicht mehr sicher vor Leonore, nicht mit der Macht, die sie innehaben wird, nachdem sie Rofdal einen Erben geschenkt hat. Ich kann dich jetzt nicht mehr vor ihr beschützen. Leonore braucht dem König nur zu sagen, sie hätte dich zum Schloß ihres Bruders geschickt, um seiner kränkelnden Frau oder sonst jemandem eine Freude zu machen. Eine Weile wird er es sich nun nicht einfallen lassen, ihr solche Kleinigkeiten zu versagen und würde kaum registrieren, daß du fort bist. Verlasse Veliano. Geh zum Gasthof ›Zur Grünen Sonne‹, vier Straßen von Mutter Arcoa entfernt, du wirst dich erinnern. Er steht immer noch. Warte dort, bis ich dir gefahrlos jemanden schicken kann, der dich zu Jorry bringt.«
    »Nein!« schrie ich. »Ich werde Veliano nicht ohne ihn verlassen! Er ist irgendwo in Veliano, in den Bergen, wie Cynda sagte, und ich werde nicht ohne ihn gehen! Sag mir, wo Jorry steckt – wenn du wirklich mit mir fertig bist, gibt es keinen Grund, es mir weiter zu verschweigen.«
    »Leonore könnte dir die Information jederzeit entlocken. Mir konnte sie sie nicht entreißen. Es geschieht im Interesse von Jorrys Sicherheit, wenn ich es dir nicht sage, und nicht, um meine Grausamkeit auszutoben.«
    »Was sollte dich Jorrys Sicherheit kümmern? Ich glaube dir nicht.«
    »Das ist dein Pech.«
    »Ich wünschte, ich hätte dich umgebracht, als du gefesselt vor mir lagst!«
    Er hatte seinen Zorn nun in der Gewalt, und sein Gesicht war vor Spott verhärtet. Er reichte mir den Dolch mit mir zugewandtem Griff. »Tatsächlich? Dann tu’s jetzt.«
    Erstaunt nahm ich ihn entgegen. Das Heft lag heiß in meiner Hand. »Nun mach schon, Fia. Töte mich. So gehst du an deine Herausforderungen heran, nicht wahr? Indem du sie einfach völlig ausmerzt. Entweder vor den Verwicklungen weglaufen oder sie totschlagen – dazwischen besteht kein großer Unterschied. Du nahmst meinen Sohn und flohst vor mir bei Mutter Arcoa, nun kannst du den anderen Weg erproben. Du kannst mich umbringen. Ich gebe dir meine gnädigste Erlaubnis. Aber dann wirst du natürlich niemals Jorry finden.«
    Ich drehte den Dolch unablässig in meinen Händen, aber ich konnte ihn nicht sehen. Aus Enttäuschung, aus Trauer und wegen der vernichtenden Verachtung in Brants Stimme waren mir Tränen in die Augen gestiegen. Im Dämmerlicht des Raumes schimmerte der Dolchgriff golden, es war ein schmelzendes Gold, das so substanzlos wirkte wie das Licht selbst. Ich rührte mich nicht.
    Brant lachte; es war ein häßlicher Laut. Er zog mir den Dolch aus den Händen. »Ich hoffe, unser Sohn ist nicht so ein Feigling wie seine Mutter. Geh fort aus Veliano, Fia. Ich kann dich hier nicht länger beschützen, selbst wenn ich es wollte. Es kann Monate

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