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Schalmeienklänge

Schalmeienklänge

Titel: Schalmeienklänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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ist, loyal und fähig, und Ihr könnt ihn doch nicht einfach, Ihr könnt ihn doch nicht…«
    Der Hof verfolgte entsetzt die Szene. Die Wachen packten Cyndas Arme; sie klammerte sich enger an den König und sprach die ganze Zeit in dieser angespannten, deutlichen, leidenschaftlichen Stimme, die mir einen eisigen Schauer über das Rückgrat jagte. Rofdal sah sich schließlich gezwungen, ihre Umklammerung selbst abzustreifen, und machte sich mit einem unzufriedenen, wütenden Aufschrei los, der seine Wachen veranlaßte, sie so grob wie jede Straßendiebin zu packen. Und selbst dann wehrte sie sich noch und flehte Rofdal unablässig an, ohne ein Auge von seinem Gesicht zu wenden.
    »Denkt doch einen Augenblick nach, Mylord, er war Euch niemals untreu oder hat Euch einen schlechten Rat gegeben, er könnte einfach kein Seelenjäger sein, Lord Perwold täuscht sich, so etwas ist doch gar nicht möglich, denkt doch nur vernünftig nach, so müßt Ihr begreifen…«
    Die Wachen schleiften sie aus dem Saal.
    Keiner sprach ein Wort. Die Höflinge wagten nicht, sich zu rühren. Rofdal richtete seinen Zorn auf Leonore, die den Blick gesenkt hielt und ihm so keinen Ansatz bot. Wieder brüllte er einen wortlosen Laut, der für meine Ohren die Steine selbst erbeben ließ.
    »Das ist Euch zuzuschreiben, Mylady. Ihr mögt recht haben, Ihr habt recht…«, denn das mußte sie ja, sonst wäre auch er im Irrtum, und das war ganz undenkbar… »aber der Gedanke gefällt mir ganz und gar nicht!« Ein letzter Blick in die Runde, und er stapfte aus dem Saal, ohne daß einer ihm im Weg gestanden hätte.
    Ich schlich mich in das verlassene Vorzimmer und sank gegen die Wand.
    Brant als Seelenjäger festgenommen. »Bei der Macht, die sie nun über den König gewinnen wird, bist du nicht länger in Sicherheit«, hatte er zu mir gesagt – aber er hatte nicht vorhergesehen, daß Leonores Macht sich bis zu ihm erstrecken könnte und daß auch er nicht mehr vor ihr sicher wäre. Er hatte nicht geglaubt, daß sie Rofdal wider sein besseres Wissen über Brant und trotz seiner Verblendung für Cynda überzeugen könnte, aber Leonore hatte es geschafft, wenn auch nur gerade eben. Welchen Beweis – erpreßt, gefälscht oder gestohlen – hatte Perwold ins Feld geführt? Welchen von Brants Männern hatte man geistig vergewaltigt, um an Informationsfragmente zu gelangen, welchen Zeugen gefoltert, über die Bewußtseinskünste auszusagen, um Rofdal von dem zu überzeugen, was tatsächlich der Wahrheit entsprach?
    Brant würde bei lebendigem Leib die Haut abgezogen.
    Noch wirkte die Droge in mir und schärfte meine Vorstellungskraft: Ich sah es vor mir. Ich sah Brant unter dem Messer schreien, sah es in seine Arme und Beine ritzen, sah die Priester mit blutigen Händen an seinen Hautfetzen zerren, bis nichts mehr abzuziehen blieb, und wieder blitzte das Messer.
    Ich drehte mich zur Wand und übergab mich heftig.
    Mit dem Erbrochenen spie ich auch den Rest der Droge aus. Erst als ich schwach und zitternd an den Wandteppichen stand und mir den Mund abwischte, sah ich, was ich gleich hätte sehen müssen. Wenn Brant stürbe, verlöre ich jede Möglichkeit, durch ihn herauszufinden, wohin er Jorry geschickt hatte. Ohne Brant würde ich ganz Veliano, ganz Erdulin, alle drei Silberstädte auf mich allein gestellt nach meinem Sohn durchsuchen müssen, um ihn vielleicht erst in Jahren zu finden. Oder überhaupt nie.
    Rofdal würde nicht nachgeben. Er war öffentlich bloßgestellt worden – nicht durch Cyndas Bitten, sondern durch seine eigenen erkennbaren Zweifel. Ein König zweifelt nicht, und ein König läßt sich nicht an der Nase herumführen. Rofdal würde diesen Augenblick demonstrativen Zweifels tilgen, indem er nie wieder schwankte, was immer er von Brant hielt, um sich nur nicht als der Hanswurst seiner Frau und deren Bruder oder als die Marionette seiner Geliebten zu fühlen. Brant würde um Rofdals königlichen Stolzes willen sterben.
    Ich konnte keinen Funken Hoffnung für ihn, für Jorry oder für mich entdecken. Ich sah nur die beiden im Hof kopfüber baumelnden und widerlich bis auf die geschwärzten Gesichter gehäuteten Leichen im Wind schaukeln.
     
    *
     
    Verzweiflung bringt zu Bewußtsein, was die Vernunft nicht zutage fördert.
    Am Schutzerbittungstag des Infanten, dem achten Tag nach seiner Geburt und dem Tag nach Brants Einkerkerung durch die Priester der Vier Schutzgötter, stand ich im Geweihten Garten und sah zu, wie Leonores Sohn dem

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