Schalmeienklänge
auf einen Priester. Ich blies auf den Weißen Schalmeien, und er und die zwei Soldaten hinter ihm erbleichten und blieben stehen. Ich befahl ihnen, sich unten zu verstecken, und sie gingen.
Doch am Tor hielt ich an und blinzelte ins Sonnenlicht. Ich bekäme Brant nur dann auf ein Pferd und fort vom Palast, wenn ich mindestens bei einem weiteren Dutzend Leuten die Weißen Schalmeien einsetzte. Aber Leonore würde bereits von sieben Leuten erfahren, daß ich nun die Weißen Schalmeien und Brant hatte; da spielte ein weiteres Dutzend keine Rolle. Trotzdem wußte ich weder, wie lange die weiße Droge auf meine Psyche wirken würde, noch wohin ich Brant bringen konnte, wenn ich floh. Wohin wir auch gingen, könnte man unsere Spur leicht verfolgen. Und mit Brant käme ich nicht schnell voran. Das hatte ich nicht vorgehabt und es mir auch nicht so vorgestellt! Die Zeit drängte auf mich ein und dämpfte die sonnendurchflutete Luft.
»Du – besorg fünf Pferde. Gesattelt. Hol Priesterpferde, die du ohne zu fragen nehmen kannst wie für eine Jagdgesellschaft. Kräftige Pferde. Und bring sie schnell. Oder du stirbst.«
Der Zusatz war überflüssig. Der Mann entfernte sich rasch unter dem Zwang der Schalmeien. Wie lange würde es dauern? Ich wartete mit den anderen im Schatten des Tores. Brant stöhnte auf den Armen der Wachen. Ich betrachtete seinen nackten, zerschundenen Körper und wandte dann den Blick fort.
Als der Mann mit den Pferden zurückkehrte, ließ ich ihn Brant in seinen eigenen Umhang schlagen, daß auch sein Kopf leicht umhüllt war, und ihn dann vor seinen Sattel hieven. Die anderen drei Männer nahm ich ebenfalls mit. Wir galoppierten davon von Festung und Schloß, und Diener, Bauern auf den Feldern, Soldaten und jeder, der sonst an offenen Fenstern stand, konnte den Zug sehen. Ich mußte die Schalmeien gar nicht einsetzen. Beim Reiten hielt ich sie fest in meiner Hand, ein kaltes, todweißes Strahlen.
Ich brachte ihn zu der Hütte, wo er mich geschlagen hatte. In ganz Veliano kannte ich nur zwei Stellen fernab von den Menschen, und Ards Häuschen lag viel weiter entfernt. Der Ritt zur Hütte beanspruchte den ganzen Vormittag. Wir waren fast dort angelangt, als der Arm des ältesten Mannes ruckartig und unsicher zu seinem Schwert fuhr und dann wieder fort, wobei sein Mund wilde Grimassen schnitt. Ich blies einmal in die Schalmeien, brachte ihn wieder zur Willenlosigkeit und verschaffte mir einen weiteren Ausbruch heilsamer Freude, nachdem ich vor Zorn bebte. Freude dürfte in einem so üblen Geschäft keinen Raum haben. Aber ich hatte nun zumindest die Antwort auf die Frage, wie lange meine Gewalt über den Mann mit dem stärksten Willen andauern würde: einen halben Vormittag. Nicht mehr.
So ritten wir weiter durch den Sommermorgen, und die Blätter um uns her blitzten in der frischen, sauber riechenden Luft.
Bei der verfallenen Hütte teilte ich vier Mann als Wachen ein, drei durchstreiften den Wald und einer, der am schwächsten Aussehende, stand an der zerfallenen Südwand oben am Abhang, der uns, wie ich hoffte, den Rücken decken würde. Brant hatte ich hineintragen und auf den naßkalten Boden legen lassen, wo ich mich nun neben ihn kniete.
Er war noch am Leben und sein Herzschlag nicht schwächer geworden. Vielleicht hatte nur sein rechter Arm ernsthaften Schaden genommen, und er hatte im übrigen zwar Schmerzen, aber keine Folgeschäden erlitten. Aber ich hatte schon erlebt, wie sich an zerfetzten Gliedmaßen Wundbrand entwickelte, der schließlich zum Tode führte, und ich verfügte weder über Medikamente, um Brants Wunde zu versorgen, noch über genügend Wasser, um sie zu säubern. Und er wurde vor Schwäche ständig ohnmächtig. Wäre dem nicht so gewesen, hätte er vielleicht noch größere Schmerzen verspürt, und ich fragte mich, ob er während des gesamten Ritts zur Hütte zu sich gekommen und wieder besinnungslos geworden war, wenn das Schaukeln des Pferdes zu schlimm wurde, immer wieder zu sich gekommen und wieder ohnmächtig geworden war. Mit einem Schaudern strich ich das dunkle Haar aus seiner Stirn. Es klebte noch von Blut. Er schlug die Augen auf und musterte mich.
»Fia…«
Ich beugte mich tiefer hinab, um besser zu hören. Ein Schmerzanfall verzerrte sein Gesicht, doch als er vorüber war, klang seine Stimme kräftiger. »Jorry. In… Erdulin. Geh zu… meiner Schwester Malda. Nicht zu meinem Vater. Verlange Jantro zu sehen. Jantro. Sag ihm… folgendes: ›Die
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