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Schampanninger

Titel: Schampanninger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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Regel von den Herren mit Servus! begrüßt. Mancher hängte sich dann bei uns ein und ließ sich fotografieren. Einer gab uns sogar die Hand, der war entweder neu in der Society und wusste nicht, wie man mit dem einfachen Volk umzugehen hatte, oder er war Präsident des Bauernverbands.
    Nachdem der erste Ansturm vorbei war, wurde es langweilig. Wir standen uns die Beine in den Bauch. Drinnen, so hieß es, spiele ein Tanzorchester, dazu finde eine Versteigerung statt. Die nächsten Hendl für bedürftige Münchner waren so gut wie gesichert.
    Das eine oder andere Glas Restschampanninger mit Ingwerwürferl fiel auch noch für uns ab, und so war es logisch, dass Jockel irgendwann sagte, er müsse jetzt mal. Und schon stand ich mit Gretel alleine draußen. Aber nicht lange. Mit dem unwiderstehlichen Angang ihrer gut fünfhundert Kilo und großem Geläut trabte sie durch die geöffnete Tür nach innen durch die Lobby Richtung Rezeption. Der Deskofficer giftete mich an, man werde mich für alle entstehenden Schäden haftbar machen. Es wäre Gretel nicht zu verdenken gewesen, wenn sie ihren Schwanz gehoben hätte, um ein paar Literchen oder sonst was auf den gut polierten Steinboden abzulassen. Aber sie hatte ja nur Sehnsucht nach Jockel, und als der wieder von der Empore herunterkam, geleitete er sie mit guten Worten und sicherem Griff rasch wieder nach draußen. Weiter hatte es eine Kuh im Bayerischen Hof sicher noch nie gebracht.

16
    Inzwischen war es zehn Uhr geworden, und Jockel, der freundliche Mensch, meinte, ich könne mich ruhig schon verabschieden, die letzte Stunde bringe er auch allein herum. Ich solle aber nicht vergessen, mir drinnen die Abendgage abzuholen.
    Also ging ich hinein. Der Festsaal war leicht zu finden, man musste sich nur von der Musik leiten lassen. Am Eingang sah ich einen dezent livrierten Ordner stehen. Bevor ich ihn etwas fragen konnte, legte er schon den Finger auf den Mund und bedeutete mir, ruhig neben ihm zu bleiben. Das Dinerwar offensichtlich vorüber, aufgereiht an den üppig dekorierten Tischen saß die feine Gesellschaft im Halbdunkel, ganz der ausgeleuchteten Bühne zugewandt. Vorne auf der Bühne stand ein alter, gut siebzigjähriger Mann auf einen Stuhl gestützt und knödelte mit zittrigem Timbre, dass Borstenvieh und Schweinespeck sein idealer Lebenszweck sei. Die Klavierbegleitung sicherte den Greisengesang wie ein Stützstrumpf ab. Immerhin musste man dem Alten zugutehalten, dass er sich für seine Darbietung einen Buffopart und keine Heldenrolle ausgesucht hatte. Großer Beifall brandete auf, als er seine Operettenarie über die Runden geschaukelt hatte. Das Publikum erhob sich applaudierend, weniger um der Gegenwart als der Vergangenheit des Künstlers Respekt zu erweisen, aber mehr noch um durch eine gemeinsamen Geste die eigene Großzügigkeit auszustellen, mit der man über eine solche Peinlichkeit hinweggesehen hatte.
    Ich wandte mich wieder dem Ordner zu. Sein skeptisches Stirnrunzeln war mir nicht entgangen, auch wenn er sich sofort größte Mühe gab, seine Falten zu unerschütterlicher Contenance glatt zu bügeln.
    – Was war sonst, fragte ich.
    Als ich bemerkte, dass er meinen Trachtenaufzug ratlos musterte, schob ich eine Erklärung nach.
    – Ich bin vom rustikalen Empfangskomitee draußen.
    Er nickte.
    – Essen und Versteigerung sind vorbei. Jetzt gibt es verschiedene Darbietungen, anschließend Tanzmusik.
    – Und wo sitzt die Organisationsleitung?
    Er deutete auf die Tür zu einem Nebenraum.
    Ich klopfte an und trat ein. In dem hektischen Getriebe dort drinnen hatte mich keiner bemerkt. ZweiChampagnerkübel vollgestopft mit Schecks und Geldscheinen standen auf dem Tisch. Außer mir warteten noch einige andere B-Lieferanten auf ihr Geld. Für solche Billigjobber hatte man die Buchhaltung radikal vereinfacht. Man bezahlte sie bar aus den Kübeln heraus.
    Einige elementare Prinzipien von Bernis Charity begann ich langsam zu kapieren. Der Spender möchte sein Geld nicht in eine anonyme Büchse stecken, sondern in attraktiver Umgebung und für alle gut sichtbar Hochherzigkeit zeigen. Dieser Bauchpinsel nebst konsumiertem Schampus und reichhaltigem Verzehr wird zunächst einmal von dem beglichen, was der Wohltäter an Eintritt zur Spendengala und bei der Versteigerung springen lässt. Mit abzudecken sind darüber hinaus alle Nebengeräusche wie Personal, Eventagenturen und sonstige am Gelingen dieser Sause Beteiligten, die unter der verschämten Rubrik

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