Schampanninger
einem der andere brutal auf den Sack geht oder man gerade zu hören bekommen hat, dass man der größter Stinker sei. Und irgendein Service wurde dadurch ja auch nicht besser, im Gegenteil sogar! Wer noch reelle Ware oder Dienstleistung zu bieten hatte, brauchte den Kunden nicht mit guten Worten zuzuscheißen.
Susi kam aus dem Weißbräu, schnürte ihre Mütze undwarf die Tasche über die Schulter. Ich trat von hinten her an sie heran und fasste ihren Arm.
– Servus, Susi. Gehen wir noch einen Glühwein trinken?
Sie erschrak, bekam sich aber dann schnell wieder in den Griff.
– Mein Gott, die Weihnachtseinkäufe, du weißt es doch! Es pressiert jetzt, viel Zeit haben wir ja nicht mehr bis Heiligabend, gell!
Das war alles schon ein bisschen zu dick aufgetragen und zu bemüht. Auch der Ton stimmte nicht.
– Viertelstunde! Für eine gute Tat muss immer Zeit sein. Da wird das ganze Weihnachten schöner.
Sie fügte sich und ließ sich zum Glühweinstand abschleppen. Mit beiden Händen umfasste sie die warme Tasse, als sei ihr mächtig kalt. Dabei guckte sie über den Rand wie das Münchner Christkindl persönlich.
– Machen wir nicht lange herum, Susi. Ich bin sicher, dass du irgendwo mein goldenes Buch mit den Vereinsunterlagen gebunkert hast.
Susi nahm schnell einen Schluck, damit sie nicht reden musste. Ich tat ihr nicht den Gefallen weiterzureden, sondern wartete. Da ihr auch sonst niemand zu Hilfe kam, nickte sie endlich.
– Warum, fragte ich.
Wieder nahm sie einen Schluck, diesmal, um Zeit zu gewinnen. Ich erhöhte den Druck.
– Gestern noch habe ich mir von Inspektor Dieselhofer das Fell wegen solcher Sachen gerben lassen. Wenn du jetzt nicht mal auf den Punkt kommst, dann statten wir ihm einen Besuch ab.
– Ich habe doch nichts getan.
– Wirklich? Lass mich raten. Wie schon mit Berni, der dir in den Schlüpfer gefasst hat, hast du auch bei dieser Geschichte schnell gemerkt, dass da was zu holen ist. Richtig?
Ihr Kopfschütteln wirkte alles andere als glaubhaft.
– Könnte es sein, dass du Maillinger damit angehauen hast?
Nach einer längeren Pause nickte sie endlich.
– Du wolltest ihn erpressen?
Sie stierte geradeaus. Ich holte Dieselhofers Visitenkarte aus der Tasche, hielt sie ihr vor die Nase und zückte mein Handy.
– Also? Was hast du Maillinger gesagt?
Sie schluchzte auf.
– Ich habe ihm gar nichts gesagt, aber ich habe einen Freund, der sich damit auskennt. Und der meint, dass da was nicht stimmt, weil nach den Unterlagen müsste im Verein ein Vermögen sein. Aber vom Maillinger selber habe ich gehört, dass angeblich alles weg ist. Dann hat mein Freund ihn angerufen und gesagt, dass wir darüber reden müssen und er sich was überlegen soll, sonst würden wir das weitergeben.
– Und dann?
– Nichts! Er hat bloß gelacht, aber total hysterisch. Und gesagt hat er, dass das jetzt auch schon wurscht wäre.
– Das war alles?
– Hundert Prozent. Am nächsten Tag war er ja dann tot.
Sie hielt sich den inzwischen leeren Becher vor den Mund, als könnte sie sich dahinter verstecken. Sie war ein verlogenes Biest, das auf kleine Naive machte und mit dieser Masche einen Typen nach dem anderen abgurgelte. Aber Männer wie ich nehmen solchen Frauen ihre Geständnisse trotzdem ab. Die schönste Version dieser Fehlhaltung ist, dass man eben andas Gute im Menschen glaubt, die wahrscheinlichere, dass man sich für den Einzigen hält, den sie beim besten Willen nicht belügen kann.
– So, Susi, sagte ich. Dann fahren wir jetzt zu dir.
– Was willst du denn von mir?
– Nur das eine, Susi. Mein goldenes Buch mit Inhalt.
Wir gingen gleich am Marienplatz in den Untergrund und fuhren mit der U-Bahn zu ihr nach Hause. Sie gab mir das gewünschte Stück. Alles sei noch drin, wie sie es vorgefunden habe. Nur den Brief, den habe sie auf Bernis Schreibtisch zurückgelegt. Ich fuhr hoch.
– Scheiße. Das war meine Einladung.
Sie zuckte bedauernd die Achseln. Ein paar Minuten später trat ich den Rückweg an.
37
Am nächsten Morgen fackelte ich nicht lange und übertrug wiederum Julius die Aufsicht über meinen Laden. Ausverkauf war angesagt, Druck gab es aber keinen mehr.
– Alles, was du heute noch verkaufst, ist reine Zugabe. Für mich ist das Weihnachtsgeschäft gelaufen. Also nimm es locker, okay?
Julius nickte.
Ich schnappte mir das Telefon und rief im Weißbräu an. Berni sei nicht zu sprechen, hieß es. Ich sagte, ich sei zuständiger Redakteur der kulinarischen
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