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Schampanninger

Titel: Schampanninger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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Winterlicht, um sogar den schäbigen Schlachthof wie frisch getüncht erstrahlen zu lassen.
    Zum frischen Weiß legte ich viel Rotes ins Schaufenster, der angenehme Kontrast zieht die Leute an. Rot war auch das große Schild, auf dem ich zusätzlich zwanzig Prozent Rabatt auf alle Weihnachtsartikel gewährte. Und es lief wirklich gut.Wenn man einmal ein paar Leute im Laden stehen hatte, die sich gegenseitig beäugten, welches rare Stück der andere hervorziehen würde, entstand dieses leicht hitzige Konsumklima, bei dem man sich beständig die Hände reiben möchte, wäre man nicht fortwährend am Kassieren. Ich lief einige Male nach nebenan und sagte tapfer Walnuss in den Spiegel. Die Aufgabe des Verkäufers ist eine dienende. Mit Kunden sollte man nie herumrechten oder streiten. Einem Besserwisser kauft niemand etwas ab. Und wenn einer wie ich draußen in der Welt brachiale Furchen zog, dann musste man den Simpel schon deshalb geben, um seine Mitte halten zu können.
    Ich war so mit mir und meinem Laden beschäftigt, dass ich keinen Gedanken daran verschwendete, wie alles andere weitergehen sollte. In meiner Arbeit aufzugehen war eine Wohltat. Und genau deshalb löste sich in mir ein Knoten.
    Am Spätnachmittag ließ der Kaufdruck nach und die Kundschaft verflüchtigte sich zunehmend. Ich bündelte ein paar Scheine und legte sie in meine Zweitkasse unter die Küchenbohlen. Wer für die Zukunft vorgesorgt hat, kann später einmal den Augenblick in vollen Zügen genießen. Das war die Schnitzelversion der Witwen-, Waisen- und Knappschaftsvereinigungen.
    Müde hing ich in den Seilen, döste vor mich hin, und da passierte es: Jemand klopfte oben tocktock! an meine Hirnschale. Der Bursche sah aus wie ein Verkündigungsengel, war allerdings ziemlich schlampig hergerichtet. Das Goldhaar hing ihm ungewaschen und strähnig herunter, seine Schwingen waren so grau und räudig wie Taubenflügel, das Hemdchen war original Feinripp, außerdem kratzte sich der Bengel am Arsch. Ich glaube ja gern und vieles, aber der war kein Engel, sondern mein Teufelchen. Er freute sich über meinerasche Auffassungsgabe, stellte sich als Ludwig vor und forderte mich auf, ruhig Bayerisch zu reden. Diese Sprache sei ihm am liebsten, weil sie auch im Himmel gesprochen werde.
    – Hast du schon einmal darüber nachgedacht, sagte er, warum Emmelmann meinte, mit dir handeln zu können?
    – Weil er blöd ist, erwiderte ich in einer Aufwallung von kindlichem Trotz.
    Ludwig lachte und tippte mir auf eine sehr unangenehme Weise spitzfingrig an die Stirn.
    – Weil du blöd bist! Er glaubt, du hast etwas, womit sich handeln lässt. Was ist das denn und vor allem wo?
    – Woher soll ich das wissen, schrie ich.
    – Dann frage doch mal Susi, dieses nette Wesen, das dir den Kopf verdreht hat.
    Er hatte verdammt recht. Ludwig war verschwunden, doch das Licht, das er mir aufgesetzt hatte, entwickelte sich rasch zur Größe einer Fackel. Das alles hätte ich auch schon viel früher kapieren können, aber verstockt wie ich war, wollte ich nicht. Nun war klar, dass es wieder an der Zeit war, draußen kräftige Furchen zu ziehen. Auch ein Teufel sollte allerdings verstehen können, dass der Mensch nicht dauerhaft für diese harten Nummern ausgelegt ist, und etwas Geduld und Nachsicht üben.

36
    Ich setzte darauf, dass Susi zur selben Zeit wie das letzte Mal Dienstschluss haben und den Weißbräu verlassen würde. Bis dahin schlenderte ich über den Marienplatz. Die Standpächter am Christkindlmarkt sahen nun schon durchweg etwas rotgeädert bis zwetschgig aus. Die anhaltende Kälte und die Vielzahl der wärmenden Stamperl ließen auch den bärigsten Händler irgendwann konditionsmäßig die Grätsche machen. Nach dem vierundzwanzigsten Dezember nahmen sie das Wort Weihnachten bloß noch einmal in den Mund, wenn sie den Stand für die kommende Saison beantragten.
    Bis dahin wurde alles so inflationär gehandhabt wie gewohnt, und man musste sich von jedem Deppen an der Ecke frohe Festtage und gesegnete Weihnachten wünschen lassen. Früher hatte der normal grantige bayerische Mensch nur denen etwas Gutes gewünscht, die er kannte und schätzte, und den ganzen großen Rest seinethalben zum Teufel. Aber jetzt hatte auch hier schon, forciert durch die jungen, international urbanen Menschen, diese amerikanische Pest Einzug gehalten, nach der man ständig Danke! Gern! und Schönen Tag auch! zu dienern hat oder sich für jeden Rückruf bedankt werden muss, selbst wenn

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