Schampanninger
doch nicht im Ernst, dass du hier mit dem falschen Parteibuch was wirst. Aber trotzdem, wenn es gegen das Geld geht, dann hilft dir keiner. Die rufen beimMinister an, von dem ich noch nicht mal die Nummer habe. Und seine Sekretärin läutet dann bei mir durch und sagt: Jetzt regeln Sie das doch mal im Sinne von unseren Bürgern.
Wer ihn reden hörte, konnte verstehen, dass der bayerische Anarchismus nie von der Bildfläche verschwunden ist, sondern sich im Moment nur in der seltsamen Inversionslage befand, Teil einer staatstragenden Partei geworden zu sein. Es grollte, es bebte, aber der Ausbruch stand erst noch bevor. Für eine Landsmannschaft, die immer noch einem schwulen König huldigt und einem Regenten hinterhertrauert, der an einem Knödel erstickt ist, gibt es keine unüberwindbare Kluft zwischen Regierung und Anarchie, vielmehr sind beide Zustände dem katholischen Menschen so nah am Pelz und gleichermaßen wahrscheinlich wie Gnade und Sünde.
– Komm, jetzt tust du noch einen Schluck her!
Widerspruch war zwecklos. Ich nahm selbst einen Mundvoll, damit ich wenigstens einmal meinen Schnaps hatte probieren dürfen, und gab ihm den Rest.
– Mit den geldigen Leuten hat die Gemeinde doch auch einen Vorteil, oder?
Wieder ließ er sein Mördergrubengrollen hören.
– Null. Eine gute Firma am Ort, die zahlt! Wenn du normale Leute in einer normalen Gemeinde hast, kannst du alles machen. Du kriegst das Schwimmbad genauso finanziert wie eine Bibliothek oder den Schulbus. Aber was wir hier so machen, interessiert die doch einen Scheißdreck. Oder glaubst du, dass die sich in einen Trachten- oder Musikverein reinsetzen? Stattdessen kannst du mit denen rumhändeln, dass sie ihre Hecke schneiden, die Jugendstilfassade nicht durch einen Glasvorbau verschandeln und solche Geschichten. Wenn du aber selber was von ihnen willst, eine Unterstützung, eineSpende fürs Krippenspiel morgen zum Beispiel, dann bürsten sie dich als Wichtel ab. Sind ja kultivierte Herrschaften, Freigeister, weißt schon, die so einen Behördendeppen wie mich erst mal im Windfang stehen lassen. Der Staat geht denen vollkommen am Arsch vorbei. Sie selber zahlen keine Steuern, aber wenn der Staat ihnen nicht aufs Wort pariert, wird durchgeklagt. So, und ich Depp weiß heute noch nicht, ob morgen durch die Sammlung genügend Geld zusammenkommt, dass ich wenigstens Maria, Joseph und die zwei Hirten auf irgendwas einladen könnte. Das ist doch ein Witz, oder?
Er schaute in den leeren Flachmann.
– Au weh! Das war’s.
Mit der ganzen Kraft seiner durch Winterarbeit gestählten Armmuskeln haute er mir auf die Schulter.
– Jetzt musst du dir den ganzen Schmarren anhören. Was hättest du denn gewollt?
– Euer Metzger? Wo ist denn der?
– Gleich hinter der Kirche links, den kannst du nicht verfehlen.
Ich verstaute meinen Flachmann wieder im Parka.
– Also probieren wir es noch mal: Frohes Fest!
Er streckte mir die Hand hin.
– Genau. Frohes Fest!
Ich stapfte davon, er schippte schnapsbeflügelt weiter.
40
Ich kaufte beim Metzger ein großes Stück Fleischwurst, die hierzulande Leoni genannt wird, weil man eine Lyoner nicht so sprechen darf, wie sie geschrieben wird. Mit meinem Wurstpaket ging ich zum Bus zurück und wärmte mich mit einem Becher Kaffee auf. Die Wurst roch so gut, dass ich mir ein Stück abschnitt und probierte. Eigentlich war sie viel zu schade für Bernis Köter, aber mit Fleischwurst hatte ich die besten Erfahrungen bei bissigen Hunden gemacht.
Am Zaun pfiff ich und hielt zwei Wurststückchen bereit. Die Hunde kamen gelaufen, knurrten ein wenig, schnupperten dann an den Brocken und fraßen. Diese beiden Schäferhunde hatten mit Sicherheit einen deutschen Pass, waren gut ausgebildet und daran gewöhnt, auf klare Kommandos ebenso klar zu reagieren. Ich kletterte über den Zaun. Knurrend hob der eine den Kopf.
– Aus!
Das wirkte. Ich verteilte den Rest der Wurst unter die beiden und arbeitete mich durch den hohen Schnee Richtung Eingang. Den geräumten Weg zu benutzen war nicht ratsam. Die Haustür lag geschützt unter einem ausladenden Vordach. Ich klingelte und trat beiseite. Die Wegbeleuchtung schaltete sich ein. Von drinnen her hörte ich Bernie Hallo rufen. Wahrscheinlich scannte er jetzt den Bereich vor dem Gartentor auf seinem Monitor. Ich klingelte nochmals. Berni öffnete die Haustür und trat auf den Vorplatz.
– Hallo! Wer ist denn da?
Ich kam aus meiner Deckung, packte seinen Arm, drehteihn nach
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