Schampanninger
Zeitschrift Cucina , derenLeser ihm den Ehrentitel eines Cavaliere della cucina verliehen hätten. Die Kellnerin bedauerte, mir nicht weiterhelfen zu können. Er sei zu Hause und diese Nummer habe sie nicht, sie sei auch nicht zu beschaffen, weil sie nicht weitergegeben werden dürfe. Ob ich denn trotz Heiligabend morgen nicht noch einmal anrufen könne? Ich bedankte mich und legte auf.
In meiner Jacke steckte die zerknitterte Karte zu Bernis Geld-Soireen, die ich damals in seinem Büro eingesteckt hatte. Darauf war seine Adresse angegeben. Schönster Starnberger See.
Draußen hatte es wieder zu schneien begonnen, aber ohne Auto kam ich nicht dorthin. Ich baute die Batterie, die ich sicherheitshalber herausgenommen hatte, wieder in meinen alten Bus, zog mir warme Kleidung an, machte eine Thermoskanne voll Kaffee und steckte meinen Totschläger und einen gefüllten Flachmann ein. Was sollte jetzt noch schiefgehen?
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Nachdem ich mich durch die Stadt auf die Autobahn gequält hatte, begann ab Forstenried eine Strecke, die den Ruf von München als einer Bauernmetropole auf das Schönste zu bestätigen scheint. Direkt hinter der Stadtgrenze beginnen die Wälder und das vermeintlich dörfliche Leben. Der Süden Münchens allerdings war zu reizvoll, um ihn dauerhaft diesen Kartoffelökonomen zu überlassen, und so kam man zu dem weißblauen Kompromiss, die bäuerliche Atmosphäre zuentkernen und als schmückende Gartenzwergkultur beizubehalten. Heute genießt der umgesiedelte Städter vom Parkplatz seines SB-Marktes aus den herrlichen Blick auf Hügel, Berge, Höfe und Zwiebeltürme. Der Starnberger und der Starnberger-See-Blick-Inhaber jedoch spielen in einer anderen Liga. Wer auf der Autobahn in die Seemetropole hineinfährt, stellt schnell fest, dass hier eine spezielle Variante der Straßenverkehrsordnung existiert, nach der sommers die linke Spur Cabrios und winters Nobelgeländewagen vorbehalten bleibt, die rasch von der Stadt auf ihren Landsitz und umgekehrt düsen müssen.
Ich hatte massive Probleme, den Bus mit den abgefahrenen Winterreifen in der Spur zu halten. Er schlitterte und schlingerte auf dem frischen Schnee dahin. Trotzdem war ich gegen eine zunehmend feierliche Gestimmtheit fast machtlos, schließlich hatten wir bereits den Dreiundzwanzigsten. Dazu weckten weiß gepuderte Tannen in einem Menschen wie mir die edelsten Gefühle. Die Vorstellung der heiligen Familie samt Hirten mit ihren rot leuchtenden Laternen darunter könnten mich sogar zu Tränen rühren, wenn ich nicht gelernt hätte, mit Julius’ Spontanmeditation aufquellenden Gefühlen starke Zügel anzulegen. Man atmet tief ein, hält die Luft an und damit werden alle Empfindungsstrudel zum stillen Wasser.
Bei so wechselvollen Gemütszuständen fiel es mir schwer, die Betriebsspannung aufrechtzuerhalten. Wer einem Brocken wie Berni gegenübertreten wollte, musste schon etwas mehr im Repertoire haben als Lächeln. Ich ließ noch einmal alles Quälende der letzten Zeit Revue passieren, Schläge, Verfolgung und Kerker.
Endlich langte ich in Starnberg an, wo man, bergab kommend, linker Hand einen Blick auf den See hat, dem Überrest jenes erschöpften Gletschers, der, vom weiten Weg aus denBergen orientierungslos geworden, sich hier zur letzten Ruhe gelegt hatte. Eigentlich war sein ganzes Streben darauf gerichtet, in die heutige Münchner Innenstadt durchzubrechen, um das Isarbett zuzuschütten und Starnberg mit ihm als See zur künftigen Hauptstadt Bayerns zu machen. Aber es zeichnet eben das Land samt seiner geistlichen und weltlichen Führer aus, dass hohes Trachten selten von ebensolchen Werken begleitet ist.
Ich ließ Starnberg hinter mir und hielt mich immer am Seeufer, bis ich endlich zu Bernis Haus kam.
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Meinen Bus stellte ich ein Stück weit vom Berghammer-Anwesen ab. Ich stapfte durch den frischen Schnee die Straße hinunter. Der Himmel war zugezogen und grau, offenbar hatte Frau Holle heute noch viel vor. Ich ging am Zaun entlang, um mir ein Bild von der Anlage machen zu können. Da hatte sich dieser Kerl ein richtiges Kleinod unter den Nagel gerissen. Auch seine Villa wies von außen besehen die spielerische Eleganz einer Sommerfrische-Residenz auf. Sie stand so exponiert auf der Hochböschung des Ufers, dass er sogar noch beim Scheißen den freien Seeblick genießen konnte.
Drinnen im abgezäunten Garten belferten zwei Köter. Der schwere Schnee drückte die Äste der Bäume herunter, bis sich bei einem die Auflage an der
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