Schande
Hunde; ein Führer in die Unterwelt für Hunde, ein harijan . [14]
Seltsam, daß ein Mann, der so egoistisch ist wie er, sich dem Dienst an toten Hunden widmet. Es muß doch andere, produktivere Arten geben, sich der Welt zu widmen oder einem Konzept von der Welt. Man könnte zum Beispiel Überstunden in der Tierklinik machen. Man könnte versuchen, die Kinder an der Abfallhalde zu überreden, ihren Körper nicht mit Giften zu verseuchen.
Sogar wenn er sich zielstrebiger dem Byron-Libretto widmete, könnte das zur Not als Dienst an der Menschheit interpretiert werden.
Doch es gibt andere Menschen, die all das tun können – die Tierschutz-Sache, die soziale Rehabilitationsarbeit, sogar die Byron-Sache. Er rettet die Ehre von Tierleichen, weil kein anderer blöd genug ist, es zu tun. Das wird er nach und nach: blöd, bekloppt, verschroben.
17. Kapitel
Ihre Arbeit in der Tierklinik ist für den Sonntag vorbei.
Der Kombi ist mit seiner toten Fracht beladen. Als letzte lästige Pflicht wischt er den Fußboden des Behandlungszimmers.
»Ich mach das schon«, sagt Bev Shaw, als sie vom Hof hereinkommt. »Sie werden nach Hause fahren wollen.«
»Ich hab’s nicht eilig.«
»Sie müssen aber eine andere Art Leben gewohnt sein.«
»Eine andere Art Leben? Ich wußte gar nicht, daß es das Leben in Arten gibt.«
»Ich meine damit, das Leben hier muß für Sie sehr langweilig sein. Sie vermissen doch bestimmt Ihren Freundeskreis. Ihnen müssen Freundinnen fehlen.«
»Freundinnen, sagen Sie. Lucy hat Ihnen gewiß erzählt, warum ich aus Kapstadt fort bin. Freundinnen haben mir dort nicht viel Glück gebracht.«
»Sie sollten nicht so streng mit ihr sein.«
»Streng mit Lucy? Ich bringe es nicht fertig, streng mit Lucy zu sein.«
»Nicht mit Lucy – mit der jungen Frau in Kapstadt.
Lucy hat erzählt, daß es dort eine junge Frau gegeben hat, die Ihnen viel Ärger gemacht hat.«
»Ja, es hat dort eine junge Frau gegeben. Aber in diesem Fall war ich derjenige, der den Ärger verursacht hat.
Ich habe der betreffenden jungen Frau mindestens genausoviel Ärger bereitet wie sie mir.«
»Lucy hat erzählt, daß Sie Ihre Stelle an der Universität aufgeben mußten. Das war bestimmt schwer. Bedauern Sie es?«
Wie neugierig! Seltsam, wie der Geruch des Skandals Frauen erregt. Glaubt dieses schlichte kleine Geschöpf, daß er nicht imstande ist, sie zu schockieren? Oder gehört es auch zu den Pflichten, die sie sich auferlegt, schockiert zu werden – wie eine Nonne, die sich vergewaltigen läßt, damit die Vergewaltigungsquote in der Welt reduziert wird?
»Ob ich es bedaure? Ich weiß nicht. Was in Kapstadt geschehen ist, hat mich hierhergeführt. Ich bin nicht unglücklich hier.«
»Aber damals – haben Sie es damals bedauert?«
»Damals? Meinen Sie, in der Hitze des Gefechts?
Selbstverständlich nicht. In der Hitze des Gefechts gibt es keine Zweifel, wie Sie gewiß selber wissen.«
Sie errötet. Es ist lange her, daß er eine Frau mittleren Alters so tief erröten sah. Bis unter die Haarwurzeln.
»Grahamstown muß für Sie aber sehr ruhig sein«, murmelt sie. »Vergleichsweise.«
»Ich habe nichts gegen Grahamstown. Hier komme ich wenigstens nicht in Versuchung. Außerdem lebe ich ja nicht in Grahamstown. Ich lebe bei meiner Tochter auf einer Farm.«
Komme nicht in Versuchung – wie unsensibel, das zu einer Frau zu sagen, auch wenn sie unattraktiv ist. Aber nicht für jeden unattraktiv. Es muß eine Zeit gegeben haben, als Bill Shaw etwas in der jungen Bev gesehen hat.
Vielleicht auch andere Männer.
Er versucht, sie sich zwanzig Jahre jünger vorzustellen, als ihr nach oben gewandtes Gesicht auf dem kurzen Hals keck und der sommersprossige Teint schlicht und gesund gewirkt haben müssen. Er folgt einer plötzlichen Regung und berührt mit dem Finger ihre Lippen.
Sie senkt die Augen, zuckt aber nicht zurück. Im Gegenteil, sie antwortet ihm, sie berührt mit ihren Lippen seine Hand – man könnte sogar sagen, sie küßt sie –, und dabei wird sie feuerrot.
Weiter geschieht nichts. So weit gehen sie. Ohne ein weiteres Wort verläßt er die Tierklinik. Er hört, wie sie hinter ihm das Licht ausmacht.
Am nächsten Nachmittag ruft sie ihn an. »Können wir uns in der Klinik treffen, um vier«, sagt sie. Es ist keine Frage, sondern eine Bekanntgabe, mit einer hohen, angestrengten Stimme
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