Schande
Wenn das eine Partie Schach wäre, dann würde er sagen, daß Lucy schachmatt ist. Wenn sie vernünftig wäre, würde sie verschwinden – sie würde an die Land Bank herantreten, eine Vereinbarung treffen, die Farm Petrus überschreiben, in die Zivilisation zurückkehren. Sie könnte in den Vororten eine Hundepension eröffnen; sie könnte die Pension auf Katzen erweitern. Sie könnte sich sogar wieder dem zuwenden, was sie und ihre Freunde in ihren Hippie-Tagen gemacht haben: ethnische Webarbeiten, ethnische Töpferei, ethnische Korbflechterei; Perlenketten an Touristen verkaufen.
Geschlagen. Man kann sich Lucy unschwer in zehn Jahren vorstellen: eine plumpe Frau mit traurigen Gesichtszügen, in Kleidern, die längst unmodisch sind, die mit ihren Tieren spricht und einsame Mahlzeiten einnimmt. Kein besonders reizvolles Leben. Aber immerhin besser, als in ständiger Angst vor dem nächsten Überfall zu leben, bei dem auch die Hunde sie nicht mehr schützen können und keiner telefonisch zu erreichen ist.
Er geht zu Petrus auf das Gelände, das er sich für seine neue Behausung ausgewählt hat, auf einer Anhöhe über dem Farmhaus. Der Landvermesser ist schon dagewesen, die Pflöcke sind eingeschlagen.
»Sie werden das Haus doch nicht etwa selbst bauen?« fragt er.
Petrus lacht vor sich hin. »Nein, das ist Arbeit für einen Fachmann, das Bauen«, sagt er. »Mauern, verputzen und so, dazu muß man Fachmann sein. Nein, ich werde die Gräben ausschachten. Das kann ich selber machen. Das ist keine Arbeit für einen Fachmann, das ist bloß Arbeit für einen Boy. Für Schachtarbeiten muß man nur ein Boy sein.«
Petrus amüsiert sich richtig, als er das Wort sagt. Einst ist er ein Boy gewesen, jetzt nicht mehr. Jetzt kann er einen Boy spielen, wie Marie Antoinette eine Milchmagd spielen konnte.
Er kommt zur Sache. »Wenn Lucy und ich nach Kapstadt zurückfahren würden, wären Sie dann bereit, Lucys Teil der Farm zu versorgen? Wir würden Ihnen ein Gehalt zahlen, oder Sie könnten es auf Provisionsbasis tun. Eine Beteiligung am Gewinn.«
»Ich muß Lucys Farm versorgen«, sagt Petrus. »Ich muß der Farmverwalter sein.« Er spricht das Wort aus, als hätte er es noch nie gehört, als wäre es wie ein Kaninchen aus einem Zylinder vor ihm aufgetaucht.
»Ja, wir könnten Sie als Farmverwalter bezeichnen, wenn Sie das möchten.«
»Und Lucy wird irgendwann zurückkommen.«
»Ich bin sicher, daß sie zurückkommen wird. Sie hängt sehr an dieser Farm. Sie hat nicht die Absicht, sie aufzugeben. Aber sie hat vor kurzem viel durchgemacht. Sie braucht eine Pause. Urlaub.«
»Am Meer«, sagt Petrus und zeigt lächelnd vom Rauchen gelb gefärbte Zähne.
»Ja, am Meer, wenn sie will.« Die Art, wie Petrus Worte in der Luft hängen läßt, irritiert ihn. Es gab einmal eine Zeit, als er glaubte, sich mit Petrus anfreunden zu können.
Jetzt verabscheut er ihn. Wenn man mit Petrus spricht, ist das, als boxe man auf einen Sandsack ein. »Ich glaube nicht, daß einer von uns beiden das Recht hat, Lucy auszufragen, wenn sie Urlaub machen will«, sagt er. »Sie nicht und ich nicht.«
»Wie lange muß ich der Farmverwalter sein?«
»Das weiß ich noch nicht, Petrus. Ich habe es nicht mit Lucy besprochen, ich erkunde nur die Möglichkeit und frage, was Sie davon halten.«
»Und ich muß dann alles machen – ich muß die Hunde füttern, ich muß das Gemüse pflanzen, ich muß auf den Markt –«
»Petrus, Sie brauchen nicht alles aufzuzählen. Hunde wird es nicht geben. Ich frage nur ganz allgemein, wenn Lucy Urlaub machen würde, wären Sie dann bereit, sich um die Farm zu kümmern?«
»Wie soll ich auf den Markt kommen, wenn ich den Kombi nicht habe?«
»Das ist eine Einzelheit. Über Einzelheiten können wir später sprechen. Ich möchte nur eine allgemeine Antwort, ja oder nein.«
Petrus schüttelt den Kopf. »Das ist zuviel, zuviel.«
Ganz unerwartet kommt ein Anruf von der Polizei, von einem Polizeimeister Esterhuyse in Port Elizabeth. Sein Auto ist gefunden worden. Es steht im Hof der Polizeiwache von New Brighton, wo er es identifizieren und zurückfordern kann. Zwei Männer sind verhaftet worden.
»Das ist wunderbar«, sagt er. »Ich hatte die Hoffnung fast schon aufgegeben.«
»Nein, Sir, es bleibt zwei Jahre auf der Fahndungsliste.«
»In welchem Zustand ist das Auto? Ist es fahrbereit?«
»Ja, Sie können damit
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