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Schandtat

Titel: Schandtat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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tun sollte. Doch ich tat es nicht. Ich konnte nicht. Ich weiß nicht, warum. Meine Füße waren wie angewurzelt. Ich konnte nur zusehen, wie einer der Typen das Blatt aufhob und es Velveeta in den Mund stopfte. »Jetzt kau schon, du Tussi. Schluck’s runter, Junge. Ganz genau. Schön alles aufessen.«
    Velveeta, dem der zerknüllte Zettel noch zur Hälfte aus dem Mund ragte, weigerte sich jedoch zu kauen. Also drückte der Junge, der ihn festhielt, sein Gesicht noch brutaler in die Erde. Velveeta ächzte, und sein Körper zuckte krampfhaft, versuchte, dem Druck standzuhalten. Tränen stiegen mir in die Augen, aber ich konnte es nicht tun. Ich konnte ihnen nicht sagen, dass sie aufhören sollten. Aber wie bei einem Autounfall konnte ich auch nicht aufhören hinzusehen. Velveeta kaute. Die Typen lachten. »Würg’s runter, du Spasti. Ganz genau. Hat deine tote Hure von einer Mutter dich auch auf diese Weise gefüttert, du verblödetes Wüstenschwein?«, sagte der Bursche, der auf ihm saß, und befahl ihm dann noch mal, das Papier herunterzuschlucken.
    Doch Velveeta tat es nicht, und der Junge, der direkt vor seinem Gesicht hockte, holte aus und schlug ihm auf die
Stirn. Den dumpfen Aufprall hörte ich sogar aus der Entfernung. Endlich trat ich vor und brüllte und schrie ihnen wie verrückt jedes der Menschheit bekannte Schimpfwort entgegen. Sie sprangen auf, starrten die kreischende Verrückte einige Sekunden lang an. Schließlich zeigten sie mir den Stinkefinger und stolzierten lachend den Pfad hinunter. Velveeta lag reglos da.
    Ich ging zu ihm. Eigentlich wollte ich nicht hier sein, war aber auch nicht imstande einfach wegzugehen. Ich wollte dies nicht sehen. Niemand sollte so etwas sehen. Ich kniete mich hin. Sein Atem ging in scharfen Stößen, seine Augen waren groß und starrten ins Leere, während ihm der Sabber aus dem Mundwinkel rann und sich im Dreck sammelte. Seine Wange wölbte sich über dem Papier, und wie in Zeitlupe öffnete er die Lippen, sodass der breiige Ball herausplumpste, der aber immer noch durch einen dicken Speichelfaden mit dem Mund verbunden war. Velveeta bewegte sich nicht. Ich wandte den Blick ab. »Bist du okay?«
    Er antwortete nicht, und als ich ihm eine Hand auf die Schulter legte, zuckte er zusammen. Sofort zog ich die Hand zurück. Sein Atem beruhigte sich, aber sein Blick ging immer noch starr ins Leere. »Geh weg.«
    Ich stand auf und stellte ihm seinen Rucksack an die Seite, ohne ihn noch mal anzusehen. »Es tut mir leid.«
    Er antwortete nicht, lag einfach nur da, und ich ging.

SIEBEN
    Dad war um halb fünf zu Hause, und ich ging ihm aus dem Weg. Velveeta spukte mir im Kopf herum, und das machte mir richtig zu schaffen. Ich hatte schon oft erlebt, dass Kinder schikaniert und zusammengeschlagen und gequält wurden. Das hat jedes Kind erlebt, und ich war sogar selbst ein-oder zweimal die Zielscheibe gewesen. Aber ich gehörte nicht zu diesen Heulsusen, die herumliefen und überall erzählten, wie traumatisiert sie doch seither waren, und die erst einmal darüber reden mussten, um überhaupt damit fertig werden zu können.
    Meine prinzipielle Lebenseinstellung war, dass Scheiße nun mal passierte, und wenn man nicht den Mumm besaß, die Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen, hatte man es eben nicht besser verdient. Das war auch der Grund, warum es mir so zu schaffen machte, dass es mir so zu schaffen machte. Jeder in der Realität verwurzelte Mensch wusste bereits nach einem einzigen Blick auf Velveeta, dass ihm die anderen Jugendlichen das Leben schwer machten. Und die Erwachsenen auch. Einige Leute waren einfach dazu geboren, von anderen schikaniert zu werden, und er war einer von ihnen. So funktionierte die Welt nun mal, und ganz gleich, was man auch alles versuchen mochte, um dem ein Ende zu bereiten, es war unmöglich. Die Starken beuteten die Schwachen aus, die Klugen beuteten die Dummen aus,
und die noch Klügeren hielten sich von all dem fern. Menschen waren grausame Geschöpfe.
    Was mir bei Velveeta so zu schaffen machte, war seine Reaktion in dieser Situation. Die Art, wie er reglos und mit großen Augen einfach nur dagelegen hatte, erinnerte mich an eine Antilope, die von einem Löwenrudel angegriffen wurde. Klar, er hatte Widerstand geleistet, indem er sich weigerte, den Zettel runterzuschlucken - auch eine Antilope wird so lange rennen, bis sich das erste Maul um ihre Kehle schließt. Aber genau wie bei der Antilope, die schließlich nur noch still dasteht,

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