Schandtat
normal.« Er zeigte mit dem Finger auf mich, und seine Augen blitzten. »Du spuckst nicht zufälligerweise Feuer oder hängst dich zum Schlafen mit dem Kopf nach unten auf, oder?«
»Bedaure.«
Er nickte, zog die Augenbrauen hoch und schlenderte dann durch die gläserne Schiebetür auf die hintere Veranda hinaus, ein weiteres Fleischbällchen zwischen seine dicken Finger geklemmt. »Mich laust der Affe! Mein Sohn kennt auch normale Leute! Vielleicht wird die Welt ja doch noch nicht untergehen.«
Theo lachte. »Das wird sie, Dad. Und ich bin der Antichrist. Aber keine Sorge, ich hab dich zusammen mit Mom auf die Liste der guten Diener gesetzt. Ihr werdet euch um die Schwefelgruben kümmern.«
Er leckte sich die Finger ab. »Gott weiß, jeder Vater wünscht sich, sein Sohn möge der Antichrist sein.« Er drehte sich um, ging zurück zur Anrichte und stibitzte sich noch ein Fleischbällchen. »Mann, diese Dinger sind aber auch lecker. Deine Mutter in diesen Kurs zu bringen, war die beste Idee aller Zeiten, wenn ich das mal so sagen darf.«
Dann kam Theos Mom in die Küche geklappert. Eine Frau von Ende vierzig, die aussah wie eine typische Fußballmutti - gesträhntes, blondes Haar, zarte Wangenknochen, Augen, die die ersten Spuren des Alters zeigten, und ein schlanker, durchtrainierter Körper. Sie trug weiße Caprihosen, hochhackige Sandalen, eine pflaumenfarbene Bluse
und ein weißes Sommerjäckchen. Wenn sie lächelte, sah man ihr Zahnfleisch, und ihre hohe, laute Stimme hallte durch die Küche. »Meine Güte, Theo, stell mich sofort dieser entzückenden jungen Dame vor.« Sie hatte tatsächlich ein Zirkuslächeln. Es war gewaltig. Als Theo uns vorstellte, gaben wir uns die Hand.
Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich ihren Nachnamen gar nicht kannte. Da stand ich nun kurz davor, fest mit einem Jungen zu gehen, und ich wusste nicht einmal seinen Familiennamen. »Freut mich, Sie kennenzulernen, Ma’am.«
»Das Vergnügen ist ganz meinerseits, Poe. Ich bin wirklich sehr froh, dass Sie gekommen sind.« Sie sah mich an. »Ihr Top ist ENTZÜCKEND! Wo haben Sie es her?«
»Von der Heilsarmee in Anaheim.«
Sie kapierte es nicht, wandte sich an Theos Dad. »Schatz, wenn wir das nächste Mal runter in den Süden fahren, müssen wir unbedingt dort Halt machen und eins besorgen.« Dann wandte sie sich wieder an mich. »Haben sie die dort ständig auf Lager?«
Ich warf Theo einen Blick zu und schüttelte dann den Kopf. »Die sind gebraucht, Ma’am. Es hängt immer davon ab, wer welche Sachen reinbringt.«
Sie wirbelte herum, ließ den Zeigefinger kreisen und öffnete den Kühlschrank. »Nun, dann hoffen wir einfach, dass jemand ein solches Top reinbringt.« Mit diesen Worten holte sie eine Tüte Shrimps hervor und ersetzte sorgfältig alle Garnelen, die Theo gegessen hatte. Dann deutete sie auf mein Oberteil. »Wofür stehen diese Buchstaben?«
Ich blickte auf mein Top hinab, bei dem es sich im Grunde um ein süßliches rosa T-Shirt handelte, auf dessen Vorderseite
drei Buchstaben in viktorianisch verschnörkelter Handschrift prangten. Ich warf Theo einen panischen Blick zu. »FTW? Ähm …«
Theo übernahm. »Fuck the World.«
Sie war gerade dabei, diese grünen Rolldinger zu ersetzen, die ich verputzt hatte, und ihr Lächeln wurde noch breiter. »Sehr schön. Sehr schön. Eine Art Statement.« Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Oh, sie werden bald hier sein. Schatz? Die Bar auf der Veranda? Sorgst du bitte dafür, dass immer genug Eis da ist?«
Theos Dad hielt schnurstracks auf die Schiebetür zu, und Theo hüpfte von seinem Barhocker. »Hey, Ma, wir gehen in mein Zimmer. Falls du uns brauchen solltest: Wir werden wahrscheinlich nackt sein, also klopf vorher an.«
Sorgfältig reihte sie weitere Cocktailgläser auf der Theke auf. »Safer Sex, Theo! Denk daran! Wir wollen doch keinen Besuch vom Klapperstorch, oder?« Ich zuckte zusammen, dann drehte sie sich zu mir um.« Amüsiert euch gut, ihr zwei, und fühlen Sie sich wie zu Hause, Poe. Wenn ihr wollt, kommt runter und mischt euch unter die Leute. Es gibt jede Menge Leckereien.«
Ich nickte, und Theo führte mich aus der Küche und die Treppe hinauf. Er kicherte. »Ich hab’s dir ja gesagt.«
»Hammer.«
»Du kannst echt alles zu ihr sagen, und sie zuckt mit keiner Wimper.«
Im oberen Stockwerk gingen wir nach rechts, einen breiten Flur entlang, dann öffnete er eine Tür. »Mein Königreich. Herzlich willkommen!«
Ich ging hinein. Schwarz. Alles schwarz.
Weitere Kostenlose Bücher