Schandtat
einlegen. Vielleicht sogar dich in den Elitechor bringen. Mit dieser Stimme …« Er fuhr fort, offenbar völlig verzaubert von seiner eigenen Stimme. »Wer hat dich ausgebildet?«
Ich lächelte. »Sid.«
Er nippte an seinem Drink. »Sid? Kenne ich den Mann? Ich bin recht vertraut mit den angesehensten Stimmausbildern im Staat, und ich weiß, dass du aus Los Angeles bist. Kommt er auch aus der Gegend?«
»Er ist tot.«
Verwirrt runzelte er die Stirn.
»Überdosis Drogen.«
»Sid wer?«
»Vicious.«
Theo grinste verschwörerisch, aber Mr Conrad kratzte sich am Kopf und fuhr unbeirrt fort. »Sid Vicious.« Er drohte spielerisch mit dem Zeigefinger. »Ich glaube, ich habe diesen Namen schon einmal gehört. Ja. Ich wusste allerdings nicht, dass er tot ist. Er war sehr bekannt, nicht wahr?«
Ich nickte. »Mehr oder weniger. Zumindest in gewissen Kreisen.«
Er lächelte traurig. »Nun, mein Beileid. Wenn du einen
neuen Gesangslehrer brauchst, kann Anna dir die Telefonnummer ihres Lehrers geben, und ich werde ein gutes Wort für dich einlegen.«
»Danke, aber das ist wirklich nicht nötig.«
Nachdem sie gegangen waren, starrten Theo und ich einander an, dann brachen wir in schallendes Gelächter aus. Er legte seine Schlagzeugstöcke beiseite. »Aber man kann nie wissen, Poe. Vielleicht hat er tatsächlich schon mal von Sid Vicious gehört. Die Sex Pistols waren in den Siebzigern ziemlich angesagt bei den oberen Zehntausend und ihren Anwälten.«
Ich lachte. »Kann schon sein.«
»Du herzlose Person, du! Der arme Mann wird Sid Vicious’ Namen von nun an bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit fallen lassen. Schon klar, oder?«
»Ich mag keine Wichtigtuer. Außerdem ist das nicht mein Problem. Und Sid hat mir wirklich das Singen beigebracht. Zumindest Punk. Meine erste Pistols-CD hab ich bestimmt eine Zillion Mal gehört.«
Er ging um sein Schlagzeug herum, und der Blick in seinen Augen verriet mir, was er vorhatte. Ich stand nur da, mit der Gitarre in der Hand, und beobachtete ihn. Er blieb vor mir stehen und seufzte. »Bevor du mich jetzt küsst, solltest du wissen, dass ich nicht dein Groupie sein werde. Ich bin keine Lumpenpuppe, mit der du spielen und die du dann einfach wegwerfen kannst, sobald du deinen Spaß gehabt hast.«
Ich lächelte. »Ich, dich küssen?«
»Ja, in etwa so.« Er beugte sich vor, und unsere Lippen trafen sich. Doch eine Sekunde später zog er sich wieder zurück.
Ich leckte mir über die Lippen, spürte noch seine Berührung.
»Das war aber ein ziemlich lahmer Kuss, Groupie. Von meinen Fans erwarte ich ein bisschen mehr.« Dann beugte ich mich vor, und mit der Fender Stratocaster zwischen uns knutschten wir wild drauflos. Wenn es tatsächlich einen Himmel gab, dann schwebte ich auf Wolke sieben. Seine Hände wanderten zu meinen Hüften, und er kam noch ein bisschen näher, erkundete mit den Fingern meine Taille. Zu hoch. Ich wich zurück. »Hey! Mach mal halblang, Cowboy! Ich bin doch kein Flittchen!«
Er seufzte. »Verdammt, und ich hatte gehofft, du wärst eins. Ich mach mich doch immer an alle Flittchen ran.«
»Ha ha. Ich weiß noch nicht mal deinen Nachnamen.«
»Dorr.«
Ich starrte ihn an. »Dorr? Du machst Witze, oder?«
»Nein. Du hast meine Mom doch kennengelernt.«
»Ja, schon, aber Theo Dorr?«
Er nickte. »Sie dachte wohl, es wäre niedlich, mich immerwährendem Spott und endlosen Demütigungen auszusetzen.«
Ich lachte. »Theo Dorr. Ist dein voller Name Theodore Dorr?«
»Nein, nur Theo. Theo Dorr, stets zu Diensten. Und wenn du nicht sofort aufhörst, dich über mich lustig zu machen, lass ich meine Finger von der Leine.«
»Dann schlag ich dir mit dieser Gitarre den Schädel ein.«
Er zuckte die Achseln und musterte meine Brüste. »Sie sind wirklich sehr hübsch.«
Ich spielte die ersten Akkorde von »Love Stinks«, und er
schnallte es sofort. Dann setzte ich mich auf einen Hocker. »Also, was passiert jetzt mit dieser ganzen Anna-Geschichte? Ihr Dad hat offensichtlich keine Ahnung, was los ist, und die nächste Chorstunde ist schon Montagmorgen.«
»Kann ich dir auch nicht sagen. Aber so schlimm ist Anna eigentlich gar nicht.«
Ich verdrehte die Augen. »Na klar, obwohl sie Liebesbriefe an irgendwelche armen Trottel schreibt, damit die dann von ihren Kumpels gequält und verprügelt werden.«
Er wandte den Blick ab. »Ich kenn sie schon seit der ersten Klasse.«
Ich starrte ihn an. »Erzähl mir jetzt bloß nicht …«
»Oh oh, jetzt
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