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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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verführt werden müssen. Wrangel, Ihr kennt die Frauen nicht «
    Wrangel schwieg lange. Obwohl er den Vikar als seinen Freund sah, hatte er ihm bisher noch mit keiner Silbe Einblick in diese Richtung seiner Gefühle erlaubt. »Doch, Claussen, ich kenne mich viel zu gut aus. Zwar weiß ich nicht, auf welche Erfahrungen Ihr zurückblicken könnt, aber ich weiß, dass die Weiber viel von Liebe reden und darauf bedacht sind, immer einer großen Zahl von Verehrern schöne Augen zu machen, um sich dann dem Dreistesten hinzugeben.«
    Claussen betrachtete seinen Freund eine Weile. »Ihr klingt verbittert. Man könnte meinen, dass Euch in diesen Dingen eine große Enttäuschung widerfahren ist, die «
    »Ich will es besser eine große Kränkung nennen. Wie Ihr wisst, stehe ich mit meinem Bruder auf nicht besonders gutem Fuß. Wir hatten nie viel gemein, er ist ein sehr auf seinen Vorteil bedachter Mensch. Ein idealer Kaufmann. Schon früher, als wir Kinder waren, verstand er es immer, dass seine Wünsche Gehör fanden, ich jedoch vor unserem Vater dastand wie ein kleiner dummer Junge. Vielleicht habe ich auch deshalb das Studiumder Rechte begonnen, weil ich mir davon versprach, meiner Abneigung gegen Menschen wie meinen Bruder ein festeres Fundament zu geben.«
    »Aber was hat das mit Euren Erfahrungen mit den Frauen zu tun, auf die Ihr Euch beruft?«
    Wrangel schaute auf den Boden seiner Tasse, als wollte er sich vergewissern, dass sie wirklich leer war. Dann nahm er seinen Mut zusammen und öffnete sein Herz. »Seit der Zeit an der Lateinschule wollte ich Elisabeth Stratmann heiraten, die Tochter eines Kompagnons meines Vaters. Wie ich damals dachte, verband mich mit ihr eine Verwandtschaft der Interessen, nein, des Wesens. Niemals hätte ich wie mein Bruder das Geschäft unseres Vaters weiterführen wollen. Ich glaubte, sie habe dafür Verständnis. Auch gab sie mir alle Hoffnung, dass sie auf mich warten würde, als ich in Kiel das Studium der Rechte begann. Damals war ich so oft wie möglich in Lübeck. Ihr wahres Gesicht zeigen die Menschen jedoch erst, wenn sich ihr Verhalten nicht mehr nur auf die Gewohnheit, sondern die eigene Verantwortung gründet « Wrangel machte eine Pause, drehte die Tasse jetzt so, dass der Henkel auf Claussen zeigte.
    »Ihr habt sie aber nicht geheiratet?«
    »Nein, ich habe sie nicht geheiratet. Ich ging nach Halle, um dort weiter zu studieren. Nun war ich nicht mehr alle paar Wochen einmal in Lübeck. Nach zwei Jahren in Halle erhielt ich ein Schreiben, in dem mich mein Bruder von seiner Verlobung mit Elisabeth unterrichtete. Die Vermählung sollte ein halbes Jahr später stattfinden. Wahrscheinlich war es ein Fehler, dass ich nicht sofort zurück nach Lübeck gefahren bin, aber diese Angelegenheit berührte mich einfach zu stark. Als der Tag der Hochzeit näher rückte, schützte ich eine schwere Krankheit vor, die es mir unmöglich machte zu kommen.«
    »Das war dumm.«
    »So scheint es. Doch zeigte es mir noch deutlicher, dass für mich in Lübeck kein Platz mehr war, ja, dass man mich abgeschrieben hatte. Es kam kein Wort der Anteilnahme. Wäre ich gestorben, hätte man es wohl mit einem Schulterzucken zur Kenntnis genommen. Unter diesen Umständen hätte mein Erscheinen die ganze Angelegenheit nur verschlimmert und alle dazu gezwungen, ihre Entscheidung mit den gemeinsten Mitteln zu rechtfertigen. Wie ich später erfuhr, zögerte Elisabeth noch einige Zeit, sich mit meinem Bruder zu verloben, doch schließlich glaubte sie seinen Einflüsterungen, dass ich mein Studium in Halle nicht aus Interesse an dem Fach, sondern aus Abneigung zu ihr angetreten hätte. Warum, so soll er gefragt haben, sei ich nicht in Kiel geblieben, da hätte ich doch auch die Würden eines Gelehrten erhalten können.«
    Claussen holte tief Luft und presste sie langsam zwischen seinen Lippen hervor. »Nun, zumindest habt Ihr erwartet, dass jene Elisabeth Eure Leidenschaft für die Jurisprudenz teilen würde, eine Leidenschaft, die eine Frau durchaus eifersüchtig machen kann.«
    »Warum sollte man denn darauf eifersüchtig sein?«, erwiderte Wrangel verständnislos. »Das eine ist ein Interesse, das nichts mit ihr zu tun hatte, das andere ist «
    »Ich glaube, gerade in dieser Einschätzung lag Euer Fehler. Für Euch ist die Jurisprudenz tatsächlich viel mehr als ein bloßes Interesse. Sie nimmt Eure überwiegende, wenn nicht ungeteilte Aufmerksamkeit in Anspruch. Dass jemand, den Ihr liebt, Eure

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