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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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Wrangel erinnerte sich an Claussens Ausführungen über den dramatischen Tod von Abelsons zweitem Sohn, der während seiner Lehrzeit in Amsterdam überfallen und zu Tode geprügelt worden war.
    »Ich danke Euch, Prokurator. Dieses traurige Ereignis ist nun schon viele Jahre her. Aber das Gemälde in seiner Sinnlichkeit schenkt mir immer wieder schöne Erinnerungen an meinen Sohn. Darum habe ich es hier über meine alte Reisetruhe gehängt, die mich mahnt, mein Herz an nichts zu sehr zu hängen, da die Reise des Lebens einen doch immer weiter treibt.«
    »Auch diese Truhe ist von ausgesuchter Schönheit, Herr Abelson. Was ist das für ein Holz? So eine Maserung habe ich noch nie gesehen.«
    »Es ist Olivenholz aus dem Süden Spaniens. Mein Großvater schenkte sie meiner Mutter zu meiner Geburt. Wir sind sephardische Juden, wie Ihr vielleicht wisst. Die Familie meiner Mutter stammte ursprünglich aus Andalusien, siedelte aber schon vor vielen Generationen nach Fes über. Dort ist meine Mutter aufgewachsen. Erst die Ehe mit meinem Vater führte sie in den Norden, nach Amsterdam und London. Mich hat diese Reisetruhe auf allen meinen Reisen stets begleitet. Erst in den letzten Jahren ist sie in diesem Haus zur Ruhe gekommen, wie ich selbst.«
    »Die Schnitzereien sind sehr filigran. Haben sie eine Bedeutung?«
    »Es sind arabische Schriftzeichen, Prokurator. Sie geben Suren aus dem Koran wieder, der heiligen Schrift der Moslems. Mein Großvater hat die Truhe von einem Tischler in Fes anfertigen lassen. Der brave Mann hat in tiefer Gläubigkeit Suren ausgewählt, die sowohl für Moslems wie auch für Juden und Christen Gültigkeit haben. So sollte mich die Truhe mit guten Wünschen durch die ganze Welt begleiten und beschützen. Bisher ist es ihr gelungen. Und inzwischen bin ich zu alt geworden, um weiter zu reisen.«
    »Aber Ihr seid doch hier in Hamburg zu Hause, und Euer schönes Haus lässt hoffen, dass dies für viele Generationen Eurer Familie so bleiben wird.«
    Abelson lächelte müde und führte Wrangel hinüber zu zwei schweren Stühlen an einem kleinen Tisch, auf dem schon eine Karaffe Portwein und zwei kristallene Gläser bereitstanden.
    »Für uns Juden, Prokurator, gibt es nur selten Orte, an denen wir lange gern gesehen sind. Darum ist uns die Bindung an Grund und Boden oft versagt. Auch hier in Hamburg. DerGrundbesitz in der Stadt berechtigt zur Mitsprache im jeweiligen Kirchspiel. Das lässt sich mit dem Judentum nicht vereinbaren. Dieses schöne Haus bewohne ich darum mit meiner Tochter zur Miete. Der Eigentümer ist ein Geschäftspartner von mir, und der Mietzins, den ich ihm jährlich entrichte, ist so bemessen, dass eine andere Nutzung für ihn kaum lukrativer sein kann. Aber lasst uns nicht länger von mir altem Mann sprechen, sondern ein Glas trinken und auf das zu sprechen kommen, weshalb ich Euch herbat.«
    Der Portwein schmeckte köstlich. Wrangel spürte, wie ihm der Alkohol warm ins Blut stieg und seine Sinne aufhellte.
    »Meine Tochter gab mir Briefe, Prokurator Wrangel, die Ihr bei Euren Ermittlungen in Eurem derzeitigen Fall gefunden habt.«
    »So ist es, Herr Abelson. Sie bot mir an, Euch die Schreiben, die für uns unleserlich waren, zu zeigen, da Ihr über Kenntnisse zu Verschlüsselungen verfügt, wie sie sich ausdrückte. Habt Ihr mit diesen Briefen etwas anfangen können?«
    Abelson betrachtete Wrangel prüfend, bevor er antwortete. »Bisher nicht sehr viel, Prokurator. Um überhaupt an eine Dechiffrierung denken zu können, brauche ich weitere Informationen von Euch. Warum glaubt Ihr, dass diese Briefe für Euren Fall wichtig sein könnten?«
    Nun schaute Wrangel Abelson prüfend an. Konnte er ihm vertrauen? »Es spricht einiges dafür, dass die Schreiben etwas mit meinem Fall zu tun haben. Meine Mandantin war die Botin für einen der Briefe. Der andere kam eher durch Zufall in ihre Hände. Aber beide weisen das gleiche Siegel auf, sprechen also für denselben Absender. Mehr aber noch …«, Wrangel zögerte, während Abelson aufmerksam zuhörte, »ist es ein anderer Umstand, der mich einen Zusammenhang vermuten lässt. Doch bevor ich Euch dies verrate, müsst Ihr mir absolutes Stillschweigen darüber versprechen.«
    »Das verspreche ich Euch, Prokurator Wrangel. Schon dass Ihr mir diese Briefe zeigtet, beweist Euer Vertrauen, das ich nicht enttäuschen werde.«
    Wrangel räusperte sich. »Als ich überfallen wurde, schien es mir, dass die beiden Kerle nach diesen Briefen suchten. Sie

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