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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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Gesang.«
    »Das ist sehr beeindruckend. Aber warum erzählt Ihr mir das?«
    »Weil ich sah, mit welcher Inbrunst Ihr ihrem Cembalospiel lauschtet.«
    »Ich liebe Mattheson.«
    »Das ist schön. Denn wie ich schon sagte, scheint mir, dass Ihr Euch innerlich wieder freier bewegt und …«
    »Mein lieber Claussen, ich habe mich innerlich immer frei bewegt. Das entspricht meiner tiefsten Überzeugung. Nur ein innerlich freier Geist kann die Aufgaben bewältigen, die an ihn gestellt werden.«
    »Genau, mein Freund, darum haltet Euren Geist auch weiterhin frei und versteigt Euch nicht in vermeintliche Prüfungen, die vielleicht nichts weiter sind als Stolpersteine auf Eurem Weg. Lieber gönnt auch Eurem Herzen die Freiheit, die Ihr dem Geist so großzügig gewährt.«

Samstag, 13. November 1701
21
    N achdenklich sah Wrangel Bunk dabei zu, wie sie sich begierig einen Brocken Brot nach dem anderen in den Mund stopfte und schmatzend zerkaute. Hin und wieder unterbrach sie die mahlenden Bewegungen ihres Kiefers, um ein Stück von den geräucherten Speckstreifen abzubeißen, die der Prokurator ihr zurechtgeschnitten hatte.
    Wrangel wusste nur zu gut, dass diese Speisung der Preis für Bunks weiteren Bericht war. Zwar hatte sich Prätor Wilken anerkennend zu Wrangels letztem Bericht geäußert, aber zugleich mahnend darauf hingewiesen, dass es vor allem Bunks Hamburger Zeit sei, um die es in diesem Fall ging. Nicht in den Untiefen des Sündenpfuhls sollte sich der junge Advocatus verirren, sondern klar und schlüssig Bunks Leben in Hamburg schildern. Genau das hatte Wrangel auch vor. Und mit ein bisschen Glück würde er schon bald dem Niedergericht in aller Deutlichkeit vorführen können, dass Bunk nichts mit der Toten auf dem Schweinemarkt zu schaffen gehabt hatte.
    Ein lautes Schlürfen riss den Prokurator aus seinen Gedanken.
    »Kann ich noch einen Krug Bier bekommen?«
    »Wirst du mir dann auch von deinem Leben hier in Hamburg berichten?«
    Bunk grinste Wrangel schief an. »Ja, Herr, sobald meine Kehle vom Bier befeuchtet wurde.«
    Wrangel rief den Henkersknecht und schickte ihn nach einem weiteren Krug. Wenige Augenblicke später kehrte Jürgen zurück und stellte das Bier mit kräftiger Hand auf den kleinen Tisch. »Prokurator Wrangel, mein Meister lässt Euch ausrichten, dass in einer Stunde die Ausstellung der Gefangenen beginnen soll, und bittet Euch, dies bei Eurem Verhör zu berücksichtigen.« Beschämt über diese hinweisenden Worte, wischte sich Jürgen mit dem schmutzigen Ärmel über den Mund und starrte auf seine schweren Holzpantinen.
    »Sag deinem Meister, er kann meine Mandantin erst ausstellen, wenn das Niedergericht für heute mit ihr fertig ist. Und nun geh.«
    Jürgen nickte stumm und verließ mit gebeugtem Kopf die Stube. Wrangel sah ihm mit unverhohlenem Ärger nach. Schließlich verging seit Wochen kein Markttag, an dem Asthusen das Mannweib nicht über Stunden wie einen Hund angekettet einem nicht abreißen wollenden Strom schaulustiger Leute zum Begaffen preisgab. Täglich ließen sich die Trommeln der Ausrufer vernehmen. Kaum rollten an den Markttagen die ersten Bauernwagen durch die Tore in die Stadt, öffnete die Frohnerei den Gaffern ihre Türen. Einige flüsterten hinter vorgehaltener Hand, das Weib sei eine Hexe. Andere wiederum fassten Bunk gegen einen Aufpreis an, damit sie ihren Grusel noch steigern konnten. Nur zu gut konnte sich Wrangel die geifernde Meute und ihre Bemerkungen vorstellen.
    »Schau mal, die Hände sind aber doch die von einem Kerl.« »Vielleicht, aber die Schultern sicher nicht. Und Brüste hat sie auch, allerdings kleine.«
    »Vater, kann die wirklich zaubern? Die Augen glühen so gefährlich.«
    »Zurück, mein Kind! Wenn sie dich anfasst, nimmt dich kein Mann mehr.«
    Seitdem das Mannweib in der Frohnerei war, liefen Asthusens Geschäfte wieder prächtig. Dafür sollte er froh und dankbar sein und nicht nach noch mehr gieren. Mit einer kräftigen Handbewegung versuchte Wrangel seine ärgerlichen Gedanken über Asthusen zu vertreiben und sich wieder auf Bunks Lebensgeschichte zu konzentrieren.
    »Von Glückstadt aus bist du also nach Hamburg gekommen. Wann war das?«
    »Im September 1698 schiffte ich mich im Hafen von Glückstadt nach Hamburg ein.« Bunk wischte sich mit ihrem schmutzigen Ärmel über Mund und Nase und griff dann beherzt nach einem weiteren Stück Speck.
    Doch bevor sie es in den Mund schieben konnte, klopften Wrangels Finger auf das Holz des

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