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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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zehn Jahre jünger als seine Frau und hatte etwas Angeberisches an sich. Von Statur aus groß und kräftig, allerdings mit einem runden Bauch bestückt, kleidete er sich nach der neuesten Mode und legte peinlich Wert darauf, dass seine Kleidung stets im besten Zustand war. Das blonde Haar trug er offen auf die Schultern wallend, geschmückt von einer Samtmütze, wie sie häufig Apotheker trugen. Aber der durch die Heirat in die wirtschaftliche Selbständigkeit gehobene Mann führte das kleine Geschäft recht ordentlich weiter und sorgte für ein beruhigendes Auskommen. Seine Frau konnte sich sogar ein Dienstmädchen leisten, das ihr bei den alltäglichen Arbeiten zur Hand ging.
    Johann Jähner fand schnell Gefallen an dem jungen Hinrich, der ohne viele Worte anpackte und sich vor keiner Arbeit scheute. Zunächst beschäftigte er ihn stundenweise mit Reinigungsarbeiten im Labor der Arzneienhandlung. Dort stellte Jähner aus allerlei Kräutern und tierischen Stoffen Tinkturen, Pülverchen und Säfte her, mischte Tees an und rührte Salben. Da er preislich deutlich unter den Apotheken blieb, konnte er sich einen soliden Kundenkreis bei den einfachen Leuten sichern. Als sein Vertrauen zu Bunk wuchs, schickte er sie auch über die Hamburger Märkte, um getrocknete Kräuter zu suchen.
    Bunk gefiel die Arbeit. Sie war leicht und ließ ihr große Freiheiten, da sie dabei weitgehend unbeobachtet blieb, also nicht ständig darauf bedacht sein musste, sich durch Kleinigkeiten zu verraten. Schnell fiel ihr auf, dass Jähner eine gewisse Schwäche für käufliche Mädchen hatte, sich aber nicht selbst an sie herantraute, wohl auch, um seinen Ehefrieden nicht aufs Spiel zu setzen. Im vergangenen Winter in Amsterdam hatte Bunk genug über käufliche Liebe gelernt, um viele der Tricks und Kniffe zu beherrschen, wie man möglichst unauffällig und somit gefahrlos an die Mädchen herankam und im Stillen mit ihnen verhandeln konnte. Als sich einmal die Gelegenheit bot, raunte sie Jähner zu, dass sie sich durchaus mal umhorchen könne, wie es um die hübsche Brünette stehe, die so häufig zwischen dem Zeughausmarkt , der Henricus-Bastion und dem Millerntor hin und her spaziere. Jähner zögerte nicht lange, und schon bald steckte er Bunk regelmäßig, welches Mädchen er gern mal näher kennenlernen wollte.
    Als das Frühjahr kam, hatten sich Bunks Dienste für Jähner, sei es Hilfe bei der Kräuterbeschaffung oder den Mädchen, derart eingespielt, dass er Bunk anbot, für ihn als Kräutermann zu arbeiten. Erst einmal sollte Bunk nur über die Dörfer ziehen und die frisch sprießenden Kräuter von alten Weibern erwerben, für die der Weg auf die Hamburger Märkte zu mühsam geworden war. Sie verkauften sie für einen Bruchteil des Preises, den man in der Stadt für Pflanzen zahlte.
    Bald schon hatte Bunk auch selbst nach Wurzeln zu graben, Rinden, Kräuter und Blumen zu sammeln. Huflattich und Heilwurz gegen Husten, auch Veilchenwurzeln, die Jähner wegen ihrer antiseptischen Kraft schätzte, Löwenzahn und Ringelblumen, die bei Gallenleiden halfen, Brennnesseln zum Entwässern, Wurmkraut, Katzenkraut für den Magen, so auch Dill und Kamille, Königskerze gegen Schmerzen und Entzündungen, Goldwundkraut gegen Gicht, Maiglöckchenkraut, das bei Epilepsie zu helfen versprach, Mohn zur Beruhigung, Holunder gegen Erkältungen und einen trägen Darm.
    Jähner wollte sein Geschäft noch mehr ausweiten und nicht nur Kräuter vom Land beziehen, sondern auch seine Mittelchen auf den Dörfern anbieten. Bunk übernahm auch diese Aufgabe. Ein-, zweimal die Woche traf sie sich mit Jähner, brachte ihmKräuter, Rinden, Wurzeln und Blumen, je nach Saison, und holte von ihm seine Tinkturen, Tees und Salben ab. Bald traute sich Jähner sogar, selbst Theriak zu brauen und über seinen Kräuterhöker zu vertreiben. Natürlich hielt er sich dabei nicht an das Originalrezept von Damokrates, Kaiser Neros Leibarzt, der dieses prophylaktische Mittel gegen Vergiftungen aus über fünfzig unterschiedlichen, teilweise unsagbar kostbaren Bestandteilen braute. Das hätte auf dem Lande sowieso keiner bezahlen können, und in der Stadt würde er damit bloß die Wut des Ratsapothekers auf sich ziehen. Auch der venezianische Theriak war für die meisten Menschen unerschwinglich teuer. Für ein Viertelpfund musste man zwei Mark lübisch berappen. Um aber eine recht befriedigende Wirkung für sein eigenes Gebräu zu erreichen, genügte es, ein wenig Opium mit

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