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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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Schlangenwurz zu mischen, dazu Angelikawurzel, Baldrian, Szillakraut, Kardamom, Myrrhe, ein winziges Fädchen Safran, Gewürznelke, Schwefeleisen und Honig. Die exotischen Gewürze fand Jähner ohne große Schwierigkeiten bei den Hamburger Gewürzhändlern. Und wenn für Safran das Geld nicht reichte, so tat es auch einfacher Gelbwurz. Das Geschäft lief gut. Fünfzehn Prozent bekam der Höker, und schnell verstand sich Bunk auch darauf, so manches Kraut in die eigene Tasche zu handeln.
    Jähner, von regem Geschäftssinn beseelt, war unermüdlich darauf bedacht, Bunks Beschaffungsdienste auszuweiten. Ihm selbst verbot seine Frau loszuziehen. Zu sehr war sie um den Ruf des Geschäftes besorgt, sollte bekannt werden, dass ihr Mann wie ein Höker über die Dörfer zog. Zwar profitierte auch sie von den Extraeinkünften dieser Landpartien, aber auf keinen Fall wollte sie das ehrbare Ansehen ihrer Familie durch Hökerei befleckt sehen. So hatte sich Jähner im Laden aufzuhalten und seine Geschäfte innerhalb der Stadtmauern abzuwickeln.
    Um den Umsatz zu steigern, entschloss er sich, sein Geschäft mit den Wunderheilmitteln noch weiter auszubauen. So hatte er sich bereits zunehmend auf Arzneien, die aus tierischen Bestandteilen herzustellen waren, konzentriert, wollte aber auch noch in das besonders lukrative Geschäft mit Arzneien aus menschlichen Bestandteilen einsteigen. Dies war allerdings traditionell den Scharfrichtern und Apothekern vorbehalten. Nur sie hatten unverstellten Zugang zu Menschenfett, das als Basis für ein hochgeschätztes Balsam gegen Krätze, Gicht und Krämpfe diente, oder zu gebrannter menschlicher Hirnschale, die pulverisiert gegen die Fallsucht helfen sollte. Steigern ließ sich die Wirkung noch, vermischte man das Pulver mit Blut von Enthaupteten. Aber daran war selbst auf dunkelsten Kanälen kaum zu kommen, wussten doch die Henker ihr Monopol gut zu schützen. Wesentlich leichter war da das Waschwasser von Leichenwäschern zugänglich, das gegen Warzen und Hautekzeme half. Auch Menschenhaut konnte man hin und wieder ergattern. Aus ihr ließen sich Lederriemen anfertigen, die, um den Leib gelegt, Gebärenden wesentliche Erleichterung verschafften. Gerade Hebammen waren dankbare Abnehmerinnen solcher Gürtel.
    Doch so finanziell reizvoll auch der Einstieg in diesen Zweig der Arzneien erschien, so schwierig war er. Darum begnügte Jähner sich fürs Erste darauf, Liebes- und Fruchtbarkeitsmittel zu kreieren. Bunk hielt er an, auf seinen Wanderungen Hirschpenisse und Stierhoden aufzutreiben. Die Schlachter in der Stadt wussten zu gut um ihren Wert, und die drei Apotheker Hamburgs zahlten die geforderten Preise. Auf dem Land hingegen ließ sich so mancher Händel machen, der einem die begehrten Teile günstiger verschaffte. Auch gelang es Bunk von Zeit zu Zeit, ihm einen Hund einzufangen, aus dessen Fett sich Hautcreme machen ließ, die von wohlhabenden älteren Frauen sehr geschätzt wurde.
    Aus dem Hundeschädel und dem Blut versuchte Jähner ein Mittel gegen die Fallsucht zu kreieren. Er verkochte noch etwas Maiglöckchenkraut mit dem Sud und bot es bei leichten bis mittelschweren Anfällen an. Doch der Absatz hielt sich in Grenzen. Weitaus erfolgreicher war er mit seinen spanischen Fliegen, die er aus Insekten des Hamburger Umlandes herstellte. Schluckte ein liebeswilliger, doch fleischlich geschwächter Mann so ein Tierchen, löste die echte spanische Fliege eine lang anhaltende und nur schwer abschwellende künstliche Erektion aus. Jähner versuchte, die aphrodisierende Wirkung mit heimischen Mitteln nachzustellen, denn er wusste, dass der Glaube an die Arznei ihr die eigentliche Wirkung verlieh. So umhüllte er kleine Käfer mit einer durchsichtigen Zuckerschicht, sodass die Käufer die Insekten sehen und sich zugleich die Vorfreude auf das Liebesspiel versüßen konnten. Seine Liebespillen erfreuten sich bald einer großen Nachfrage unter den älteren Herren der Stadt, welche die Jähner’sche Krämerei zunehmend regelmäßig aufsuchten. Aber die rechten Insekten waren nicht einfach zu finden. So verbrachte Bunk im Sommer viele Stunden damit, die Blätter von Holundersträuchern, jungen Eschen, Pappeln, Flieder und Liguster nach ihnen abzusuchen.
22
    W rangel hörte Bunk aufmerksam zu, bis sie auf einmal innehielt und verloren aus dem kleinen Fenster starrte.
    »Und, wie ging es weiter?«
    Bunk reagierte nicht.
    Wrangel überlegte eine Weile. Bunk war also wohl gut bekannt mit dem Haushalt

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