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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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zweiten Vorwurf gegen Ilsabe Bunk einzugehen: ihre Beteiligung am Verschwinden von Maria Rieken.«
    Wilken sah Wrangel aus gleichmütigen Augen an und nickte dann kurz, als wollte er jede überflüssige Bewegung vermeiden. Wie ein Helm rahmte eine weiße Perücke sein markantes Gesicht und betonte so die gerade Linie seiner Nase. Kein Muskel verriet irgendeine Anteilnahme an den Ausführungen des jungen Prokurators, der schon seit einer knappen halben Stunde seine Verteidigungsschrift für Ilsabe Bunk im Sitzungssaal des Niedergerichts vortrug. Der Brookvogt hingegen wippte gelangweilt auf seinem Hocker in der Ecke und schien nur noch mit Mühe die Augen offen halten zu können. Lediglich die kratzende Feder des Aktuars, der sich mit höchster Konzentration bemühte, möglichst jedes Wort des Prokurators zu protokollieren, unterbrach den gleichmäßigen Redefluss Wrangels.
    »Tatsächlich hat meine Mandantin die vermisste Maria Rieken Anfang Januar dieses Jahres in Neuengamme im Dorfkrug kennengelernt. Entgegen den Behauptungen der Riek’schen Familie aber war es Maria Riekens ausdrücklicher Wunsch, aus Neuengamme fortzugehen und ihren Ehemann Hans Rieken zu verlassen, da er sich nicht an seine christlichen Ehepflichten hielt, sondern seine Frau häufig schlug und dabei auch verletzte, sodass sie Sorge um ihr Leben hatte. Meine Mandantin bot Maria Rieken, die sich ihr in ihrer Not anvertraute, an, sie nach Hamburg zu bringen und ihr dort zu helfen, eine Arbeit als Dienstmädchen zu finden. So verließ Maria Rieken zusammen mit Ilsabe Bunk, hic in der Rolle des Hinrich Bunk, Neuengamme am 25.  Januar dieses Jahres und trat am 26.  Januar eine Stelle als Dienstmädchen bei der Frau des Arzneienkrämers Johann Jähner an.«
    Wilken hob die Brauen und sah Wrangel mit durchdringendem Blick an. »So lebt die vermisste Rieken hier in Hamburg, Prokurator?«
    »Leider nicht mehr, Prätor Wilken, denn sie verließ ihre Stelle als Dienstmädchen zu Mariä Lichtmess, da sie aufs Land zurückwollte. So zumindest bestätigte es mir die Frau des Arzneienkrämers, Maria Jähner.«
    »So ist diese Frau vorzuladen, um ihre Aussage vor Gericht zu vereidigen.« Wilken verschränkte zufrieden die Hände.
    »Erlaubt mir, Prätor Wilken, auch noch auf die Diskrepanzen in der physischen Erscheinung von Maria Rieken und der am Schweinemarkt gefundenen Leiche aufmerksam zu machen. Sowohl der Vater der Rieken wie auch meine Mandantin und die Zeugin Jähner bestätigen einmütig, dass Maria Rieken eine kleine, zierliche Frau mit dunklem Haar gewesen sei. Bei der Leiche am Schweinemarkt jedoch handelte es sich um eine große, beleibte Frau, deren Körperbehaarung rötlich blond war. Zudem wurde die Leiche am Morgen des 26.  Januar gefunden,demselben Tag, an dem Maria Rieken bei Frau Maria Jähner als Dienstmädchen anfing.«
    Wilkens Blick verfinsterte sich. Wrangel spürte, dass er mit diesem Hinweis zu weit gegangen war. Mit seinen Bemerkungen kritisierte er indirekt die Arbeit des Prätoriats. Schließlich oblag es der Hoheit des Prätors, Tatortbeschreibungen zu liefern und Zeugen zu vernehmen. Gereizt klopfte der Prätor mit den Fingern auf die Tischplatte.
    »Das Aussehen einer Frau hängt doch wohl sehr vom Betrachter ab, Prokurator Wrangel. Welche Beweise, welche Zeugnisse könnt Ihr für die äußerlichen Unterschiede der Leiche und der Maria Rieken vorbringen?«
    »Ich habe sie selbst gesehen, Prätor Wrangel.«
    »Die Rieken, Wrangel?«
    »Nein, die Tote, Herr Prätor. Es war mein erster Tag hier am Niedergericht.«
    »Ja, ich entsinne mich. Ihr, Prokurator, seid jedoch Advocatus in diesem Fall und könnt darum kein Zeuge sein.«
    »Aber dem Gericht liegt doch das Gutachten des Physikus Dr. Biester vor, das kürzlich eingefordert wurde. Dort ist die Leiche detailliert beschrieben.«
    »Nun gut«, winkte Wilken ab und wandte sich an den Aktuar. »Dr. Meyer, nehmt zu Protokoll, dass das Gutachten erneut geprüft werden muss. Und Brookvogt, Ihr ladet diese Jähner vor, damit sie ihre Aussagen bestätige.«
    Mit kräftigen Schlägen klopfte es plötzlich an der Tür. Als ein Gerichtsdiener beflissentlich öffnete, trat Jürgen, der Meisterknecht des Scharfrichters, in den Saal.
    »Verzeiht diese Störung, hohes Gericht, aber mein Herr schickt mich, um Euch wissen zu lassen, dass die Gefangene, also das Mannweib, eine Aussage machen möchte. Sie habe einen Teilder Wahrheit verheimlicht und wolle nun ihr Gewissen erleichtern und

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