Schandweib
ihre Frauenkleider abgelegt und stattdessen Männerkleider angelegt hat. Auch nahm sie den Männernamen Hinrich Bunk an und hat sich seitdem vorwiegend als Mann ausgegeben. Unter diesem fälschlichangenommenen Namen hat sie ein liederliches Leben geführt und Unzucht getrieben. Vor gut zwei Jahren ist sie dann als Hinrich Bunk nach Hamburg gekommen und hat sich mit der hier ebenfalls anwesenden Inquisitin Cäcilie Jürgens verlobt und bald darauf in Wandsbek durch priesterliche Hand trauen lassen. Gemeinsam haben beide dann für den hier ebenfalls anwesenden Inquisiten, den Arzneienkrämer Johann Friedrich Jähner, als Kräuterhöker gearbeitet und für ihn neben Kräutern auch Diebsdaumen gestohlen und zum Verkauf an abergläubische Bauern gebracht.«
»Das stimmt nicht!«, ging Jähner ungefragt dazwischen und sprang erregt von seiner Bank auf. Aber schon hatten ihn die beiden Wachen an seinen Seiten gepackt und wieder niedergedrückt.
Wilken schlug kräftig mit dem Holzhämmerchen auf den Tisch. »Er möge sich beruhigen. Auch zu Ihm wird das Gericht noch kommen«, schnitt er dem vor Wut Bebenden das Wort ab und gab dem Aktuar ein Zeichen, mit der Verlesung von Bunks Aussagen fortzufahren.
»Dann hat Ilsabe Bunk alias Hinrich Bunk im Dorfkrug in Neuengamme Maria Rieken, des Hans Rieken Eheweib, verführt, von ihrem Mann fortzulaufen, und sie mit nach Hamburg zu Cäcilie Jürgens gebracht. Dann haben die beiden, Bunk und Jürgens, dabei zugesehen, wie Johann Friedrich Jähner Maria Rieken am 25. Januar 1701 zuerst betrunken machte, sodass sie einschlief, und ihr dann mit einem Messer den Kopf abschnitt, um daraus mancherlei Zauberarznei zu machen.«
Jetzt schrien Jähner und Jürgens zugleich auf, aber ein kräftiger Hammerschlag auf den Tisch reichte, sie wieder zum Schweigen zu bringen.
»Den abgeschnittenen Kopf steckte Jähner in einen Sack und nahm ihn mit sich in seine Arzneienküche in den Beckergang.Den Körper der toten Rieken aber schafften zwei Bootsleute, deren Namen der Inquisitin unbekannt waren, fort aus der Kammer von Bunk und Jürgens und warfen ihn noch in derselben Nacht in den Abort auf dem Schweinemarkt.«
»Bestätige Sie nun Ihre hier erneut verlesenen Aussagen«, wandte sich Prätor Wilken an Bunk.
Die drehte sich zu Jähner und Cäcilie Jürgens um und musterte die beiden eingehend. Jähners Gesicht war vor Angst und Wut verkrampft, er hielt seine Hände zu Fäusten geballt auf den Schenkeln, den Blick gesenkt. Die Jürgens trug noch ihr hübsches Kleid, allerdings war es arg verschmutzt. Schultern und Busen waren wieder mit einem Tuch bedeckt, und ihre braunen Locken waren unter der ebenfalls schon schmuddeligen Haube kaum zu sehen. Auch an ihr waren die Tage und Nächte in der Frohnerei nicht spurlos vorbeigegangen. Ihre Blicke trafen sich, und Funken blanken Hasses schlugen Bunk entgegen. Schnell wandte sie sich ab.
»Ja, ich bestätige die Aussagen«, entgegnete sie mit fester Stimme dem Prätor, der darauf dem Aktuar ein Zeichen gab.
Dieser fuhr nun fort, die bisherigen Aussagen von Jähner zu verlesen, der alle Vorwürfe weit von sich gewiesen und immer wieder auf seine Ehrbarkeit und Unschuld gepocht hatte. Als der Prätor ihm schließlich das Wort erteilte, um seine bisherigen Aussagen zu bestätigen, holte er erneut zu seiner Verteidigung aus.
»Ein ehrbarer Mann bin ich, Herr Prätor, und ganz unschuldig hier vor Euch gezerrt. Mit meiner Frau Maria führe ich eine ehrbare Krämerei im Beckergang. Noch nie habe ich mir etwas zuschulden kommen lassen. Arglistig getäuscht hat mich dieses Mannweib hier, als es sich bei mir einschlich als Mann, um mir als Hilfsarbeiter zur Hand zu gehen. Meine Gutmütigkeit hat esausgenutzt und mein Vertrauen in seine Redlichkeit missbraucht. Nie habe ich einen Menschen willentlich verletzt oder gar getötet. Und diese Maria Rieken habe ich nie gesehen. Ein unschuldiges Opfer der Bosheit und Verleumdung dieser Menschen bin ich!« Er zeigte auf Bunk und Jürgens. »Lasst nicht zu, ehrenwerter Prätor, dass dieses liederliche Pärchen mich in meiner Ehre beschmutzt und ins Unglück reißt!«
»Setze Er sich«, beendete Wilken kühl das Bittgesuch des Arzneienkrämers, »Seine Aussagen wurden zur Kenntnis genommen.«
Dann gab er Dr. Meyer erneut ein Zeichen, mit den Aussagen von Cäcilie Jürgens fortzufahren. Während der Aktuar die Zusammenfassung verlas, stand Cäcilie Jürgens mit heftig bebender Brust und leisem Schniefen vor ihrer
Weitere Kostenlose Bücher