Schandweib
wollten, um in den Handel einzusteigen. Schließlich muss die Stadt ihre Vorräte an Schwarzpulver auffüllen. Die beiden Bankiers – ihre Namen möchte ich aus Diskretion für mich behalten – kauften heute früh für einen vierstelligen Betrag Schwarzpulver von den beiden Pulvermühlen, die hinter Eppendorf im Moor gelegen sind. Man muss mit mehreren Tagen rechnen, bis das Pulver diskret in die Stadt gebracht werden könnte. Doch das gilt für alle Anbieter. Als die beiden heute Mittag ihr Pulver dem Rat anboten, eröffnete dieser ihnen, man habe bereits ausreichend neuesPulver erworben, das noch heute geliefert werden könne. Ein Lübecker Kaufmann habe spontan große Mengen bereitstellen können, sodass die Hamburger Vorratslager wieder prall gefüllt sind. Kaum war diese Nachricht bekannt, purzelte der Pulverpreis um mehr als die Hälfte.«
Wrangel erbleichte. Konnte der Kaufmann sein Bruder gewesen sein? Seine Familie war schließlich schon früher im Schwarzpulverhandel überaus erfolgreich gewesen.
»Für die beiden Bankiers wurde die Lage brenzlig«, fuhr Abelson ruhig fort. »Das von ihnen investierte Geld hatten sie binnen einer Woche zurückzuzahlen. So schnell aber war kaum mit einer Erholung des Preises zu rechnen. Schließlich saßen noch andere Händler auf Pulverfässern herum, die sie der Stadt verkaufen wollten. Pulver jedoch anderweitig zu verkaufen verstößt gegen die Neutralitätsregeln Hamburgs und wird argwöhnisch von den Dänen überwacht, wie auch vom Rat selbst, um jeglichem Konflikt vorzubeugen. Kurz vor Handelsschluss jedoch reichte Michel Wilken den beiden eine helfende Hand. Er bot ihnen an, ihre Pulverlieferungen umgehend abzukaufen. Zwar machten sie damit fünfzig Prozent Verlust, gewannen aber eine Woche Zeit, diesen durch bessere Geschäfte noch zu verringern. Schweren Herzens schlugen sie ein.«
»Das ist eine wahrlich kuriose Geschichte, die Ihr uns da erzählt, Abelson«, sinnierte Claussen. »Ich hätte Michel Wilken kaum für einen so hilfsbereiten Menschen gehalten. Aber er muss auch sehr wohlhabend sein, wenn er sich einen Kauf leistet, den er auf ungewisse Zeit nicht weiterverkaufen kann. Das ist ein wahres Zeichen christlicher Nächstenliebe an der Börse.«
»Ich will Euch nicht kränken, Matthias, sicherlich kennt Ihr Euch mit den Herzen der Christen viel besser aus als ich alter Jude, aber in Geldgeschäften bin ich wohl mehr bewandert alsIhr. Und so sage ich Euch: Kein guter Kaufmann handelt freiwillig zu seinem Nachteil. Nur erkennen Außenstehende manchmal die Vorteile eines Handels nicht.«
Wrangel zwickte der Magen von dem starken Kaffee. Er hätte doch reichlicher zu Mittag essen sollen. Doch jetzt war ihm auch der Appetit auf ein Abendessen vergangen. Morgen sollte er mit seinem verhassten Bruder und diesem Michel Wilken zusammensitzen und Freundlichkeiten austauschen. Er musste schnell an etwas anderes denken, sollte sich sein Magen nicht umdrehen.
»Meine Herren, es wird wohl Zeit für mich zu gehen«, wechselte er darum etwas schroff das Thema. »Morgen erwartet mich ein anstrengender Tag in der Frohnerei. Der Prätor hat zwei, wenn nicht sogar drei peinliche Befragungen angesetzt. Und am Freitag will ich in aller Früh aufbrechen und nach Wandsbek gehen, um Erkundigungen über meine Mandantin und die neuen Umstände in ihrem Fall einzuholen.«
»Oh, Ihr müsst nach Wandsbek, Prokurator Wrangel«, wandte sich Abelson an den bereits zum Aufbruch gerüsteten Anwalt. »Ich möchte nicht unverschämt erscheinen, aber erlaubt mir, eine Bitte an Euch zu richten.«
»Selbstverständlich, Herr Abelson, es ist mir ein Vergnügen, Euch behilflich sein zu können.«
»Tatsächlich geht es dabei mehr um meine Tochter als um mich. Wie Ihr vielleicht wisst, hat Hamburg schon seit einiger Zeit Synagogen innerhalb der Stadtmauern verboten. So befinden sich die nächsten unserer Gotteshäuser in Altona und in Wandsbek. Meine Familie ist eng mit der Synagoge in Wandsbek verbunden, der dortige Rabbi Joseph Beerenboom ist ein Jugendfreund von mir. Am nächsten Sabbat ist der vierte Todestag meiner geliebten Frau, und meine Tochter Ruth möchte um jeden Preis zum Beginn des Sabbats in die Synagoge und amnächsten Morgen zum Grab ihrer Mutter. In Wandsbek selbst wird sie bei Beerenboom bleiben können. Mir jedoch ist es aus vielerlei Gründen nicht möglich, ebenfalls nach Wandsbek zu fahren. Allerdings erscheint es mir viel zu gefährlich, eine so junge und
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