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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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hindurchzwängte. Er trug einen eleganten Rock im klassischen Schnitt und hatte sein weißes Haar mit einem Dreispitz bedeckt. Mit der linken Hand stützte er sich auf einen Gehstock mit silbernem Knauf, der ihm im Gedränge des Kaffeehauses allerdings eher hinderlich als hilfreich war.
    »Wie schön, die hart arbeitende Jugend auch mal in einem Moment der Entspannung zu sehen, und wie traurig, in Eure resignierten Mienen zu blicken. Matthias, mein Junge, überlasst Eure Sorgen dem Herrn, dem Ihr täglich so ausdauernd dient, und freut Euch Eurer Gesundheit und Jugend. Und Ihr, lieber Prokurator Wrangel, grämt Euch nicht zu sehr wegen der Last der Leiden, mit denen Ihr Euch zu beschäftigen habt. Ein so lebendiger junger Mann wie Ihr sollte auch die Freuden des Lebens genießen. Aber was schwatze ich alter Greis hier Allerweltsweisheiten vor mich her? Darf ich die jungen Herren zu einem weiteren Kaffee einladen, um die Gemüter zu erhellen?«
    Claussen und Wrangel mussten beide unweigerlich lächeln, als Abelson ihnen die kleine Standpauke hielt. Ihm stand es auch zu, denn er selbst jammerte nie, ließ auch vor anderen den Kopf nie hängen, egal, wie übel ihm das Schicksal mitspielte. Bescheidenheit und die Freude am gelebten Augenblick zu genießen, das waren seine Maximen.
    »Lieber Herr Abelson, wie schön, Euch so wohlauf zu treffen«, ergriff auch Claussen gleich das Wort, »gesellt Euch gern zu uns und erfreut uns mit Eurer geschätzten Anwesenheit.«
    Wrangel hatte dem Wirt bereits ein Zeichen gegeben, der sogleich noch einen Stuhl für den alten jüdischen Bankier heranschaffte. Dieser bedankte sich umständlich und bestellte dann eine Runde frischen Kaffee.
    »Was gibt es Neues zu berichten aus der Welt der Finanzen?«
    »Ach, Matthias, was soll ich Euch junge Leute mit weiteren Unerfreulichkeiten quälen? Gute Neuigkeiten gibt es dieser Tage leider zu wenige, aber dafür manchmal Kuriosa. Ich komme gerade von der Börse. Der Handel scheint zu stocken, die Händler sind vorsichtig geworden, weil die Transportwege unter den politischen Verhältnissen leiden. Die Preise für Kaffee sind schon seit längerem unglaublich hoch, weil sich die Speicher langsam leeren und die Schiffe mit frischer Ware nicht an den Dänen vorbeikommen oder von den Zöllnern gnadenlos geschröpft werden. Ein Importeur ist inzwischen sogar schon dazu übergegangen, seine Ware in Altona löschen zu lassen, um sie von dort über den Landweg nach Hamburg zu bringen. Die Dänen haben ihn aber so ungeheuerlich an Steuern berappen wollen, als er seinen Kaffee wieder aus ihrem Gebiet ausführen wollte, dass an einen Gewinn in Hamburg nur noch mit Wucherpreisen zu denken gewesen wäre. So hat er den Kaffee eben in Altona losgeschlagen. Natürlich führte das hier in Hamburg zu einem Aufschrei, und der Kaufmann musste sich als Verräter beschimpfen lassen. So schnell wird kein Zweiter seinem Beispiel folgen.«
    »Ja, auch ich hörte von diesem Fall«, entgegnete Claussen, »Syndikus Lorenz berichtete im Hause meines Onkels davon. Dem Ruf der Hinnrichsen hat diese Aktion sehr geschadet.«
    »So ist es. Darum gehen auch mehr und mehr Kaufleute dazuüber, ihre Geschäfte nicht mehr für jedermann so offenkundig abzuwickeln. Die Hamburger Bank gibt ihnen mit ihrem ausgefeilten Girosystem dazu viele Möglichkeiten. Die Geschäfte mit der Wisselbank in Amsterdam und mit der Banco Publico in Nürnberg laufen bestens. Auch London ist immer fester in die Depositen- und Girogeschäfte eingebunden. So weiß nicht mehr gleich jeder, wer was mit wem tut oder lässt. Doch auch dieses Verfahren hat seine Tücken. Ihr hättet heute erleben sollen, wie es an der Börse brodelte, weil plötzlich und unerwartet die Preise für Schwarzpulver fielen.«
    »Die Preise fielen?«, mischte sich Wrangel erstaunt ein. »Erst heute früh hörte ich von dem unerhörten Mangel, der in der Stadt nach dem Brand herrscht. Wir verhandelten heute einen solchen Fall bei Gericht. Ein Kaufmann konnte nicht wie versprochen an seinen Handelspartner liefern und sollte nun das bereits erhaltene Geld verzinst zurückgeben. Wie können unter solchen Umständen die Preise fallen?«
    »Das haben sich auch viele Börsenleute gefragt, Prokurator Wrangel«, antwortete Abelson bedächtig. »Nach dem Brand und der Explosion des Munitionslagers der Vincent-Bastion haben viele auf höhere Preise spekuliert. Von zwei Bankiers weiß ich sogar, dass sie kurzfristig geliehenes Geld einsetzen

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