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Scharfe Pranken

Scharfe Pranken

Titel: Scharfe Pranken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. A. Aiken
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»Sieben.«
    »Ist es sieben?«
    »Nein.« Als er sie nur weiter anstarrte, fragte sie leise: »Wollen wir uns um sieben auf der Bahn treffen?«
    Er starrte sie noch immer stumm an, bis sie nickte und sagte: »Okay.«
    Sie verschwand, und Bo machte sich wieder an die Arbeit.
    Fünfzehn Minuten später betrat Bo die kleine Arena. Blayne, die sich in ihren dunkelblauen Leggins, ihrem Sweatshirt und den Rollschuhen sichtlich wohlzufühlen schien, drehte sich zu ihm um. Er hatte erwartet, dass sie wütend auf ihn war oder, noch schlimmer, ihn mit diesem verletzten Ausdruck ansehen würde, den die Leute immer im Gesicht hatten, wenn er mal wieder völlig unverblümt und direkt gewesen war. Aber das war ein Preis, den Bo stets zu zahlen bereit war, um sicherzustellen, dass die Menschen in seinem Leben von Anfang an verstanden, wie er tickte. So gab es später keine Überraschungen. Das nannte man »Grenzen setzen«, und er hatte in einem Buch darüber gelesen.
    Doch als Blayne ihn sah, grinste sie nur und hielt einen Starbucks-Becher hoch. »Kaffee«, bot sie ihm an, als er auf sie zuging. »Ich hab dir die Hausmarke mitgebracht, weil ich keine Ahnung hatte, was du magst. Und sie hatten Zimtschnecken, also hab ich dir auch gleich ein paar mitgebracht.«
    Er nahm den Kaffee und beobachtete Blayne ganz genau. Wo war sie? Die Wut? Die Verstimmung? Plante sie irgendetwas?
    Blayne hielt ihm die Tüte mit dem Gebäck hin, und Bo nahm sie ihr ab. »Danke«, sagte er, noch immer misstrauisch, und nippte von seinem perfekt zubereiteten Kaffee.
    »Gern geschehen.« Und dann tauchte dieses Lächeln wieder auf. Unglaublich breit und strahlender als die verfluchte Sonne. »Und ich hab’s kapiert. Sieben heißt sieben. Acht heißt acht und so weiter und so fort. Ich hab’s kapiert und werde mich daran halten. Es wird nicht wieder vorkommen.« Sie verkündete dies ohne den geringsten Anflug von Bitterkeit oder Verärgerung, und mit ihrem Verständnis verstörte sie ihn nur noch mehr, als sie es mit ihren Beinen ohnehin schon getan hatte.
    »Also.« Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Was soll ich als Erstes machen?«
    Mich heiraten? Moment. Nein, nein. Die falsche Antwort. Das schreckt sie nur ab, und dann rennt sie wieder weg. Normal. Sei normal. Du schaffst das. Du bist nicht nur ein großartiger Schlittschuhläufer. Du bist ein normaler großartiger Schlittschuhläufer.
    Als Bo sich wieder unter Kontrolle hatte, antwortete er: »Arbeiten wir zuerst an deiner Konzentration. Und, ähm, sollte ich wissen, was mit deinem Gesicht passiert ist?« Sie hatte mehrere Schnittwunden auf den Wangen. Es waren tiefe Furchen, so als hätte sie ein kleines Tier mit seinen Krallen erwischt.
    »Nein!«, säuselte sie und zog ihr Sweatshirt aus. Darunter trug sie ein abgetragenes blaues T -Shirt mit der Aufschrift B&G SANITÄR quer über der Brust. Mit dem Sweatshirt in der Hand skatete Blayne zur Tribüne hinüber, hielt an, schüttelte den Kopf, skatete zu einem anderen Tribünenabschnitt, hielt wieder an, schaute auf das Sweatshirt, drehte sich um und skatete wieder zum Geländer zurück. »Ich lasse es lieber hier«, erklärte sie. »Falls mir kühl wird.«
    Bo wurde bewusst, dass er soeben zwei Minuten seines Lebens verloren hatte, weil er ihr dabei zugesehen hatte, wie sie versuchte, sich zu entscheiden, wo sie ein verfluchtes Sweatshirt ablegen sollte. Zwei Minuten, die er nie wieder zurückbekommen würde.
    »Juhu!«, rief sie, als sie endlich auf der Bahn war. »Los geht’s!«
    Er deutete hinter sich. »Pass auf die …«
    »Autsch!«
    »… Stange auf.«
    Gott, worauf hatte er sich da nur eingelassen?
    Gott Allmächtiger, worauf hatte sie sich da nur eingelassen?
    Es waren erst zwanzig Minuten vergangen, und sie hätte den Kopf dieses Mannes am liebsten jetzt schon gegen die Wand gedonnert. Sie wollte in der Zeit zurückreisen und Dschingis Khan die Seele aus dem Leib prügeln, bevor sie sich um seine Brüder Larry und Moe kümmerte. Okay, das waren nicht ihre richtigen Namen, aber sie konnte sich an einem guten Tag ja schon kaum an Dschingis’ Namen erinnern, wie zur Hölle sollte sie sich da die seiner Brüder merken? Aber wie immer die Khan-Brüder auch heißen mochten, Blayne wollte ihnen allen wehtun, weil sie ihre Welt mit diesem … diesem … Vandalen gestraft hatten!
    Das Schlimmste war jedoch, dass sie wusste, dass er sie noch nicht einmal ernst nahm. Er bestand darauf, es als Mädchensport zu bezeichnen. Wenn er

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