Scharfe Pranken
perfekten, prallen Lippen, bevor sie erwiderte: »Wie du willst.« Es war ihre nette Südstaatenart zu sagen: »Ich mach’s ja, aber du kannst mich trotzdem mal.« Wenn Ric auf diese Art bekam, was er wollte, war er bereit, ihren Ton zu ignorieren.
Er wandte sich wieder seinem Heimkino zu und schaltete es mit der Fernbedienung ein. »Willst du etwas frühstücken?«, fragte er in der Hoffnung, ihre Wut mit etwas zu essen dämpfen zu können. Aber als er über seine Schulter blickte, war sie schon wieder verschwunden.
»Auf drei. Eins, zwei … drei.«
Gwen und Blayne zerrten mit aller Kraft an der verbogenen Tür, bis sie sich schließlich öffnete. Der feuchte Geruch von Schimmel und kaputten Rohrleitungen schlug ihnen entgegen, und beide wandten ihr Gesicht ab. »Okay«, sagte Gwen, als sie wieder sprechen konnte, ohne würgen zu müssen, »vielleicht hätten wir doch auf meine Mutter hören und nicht ins Familiengeschäft einsteigen sollen.«
Blayne lachte. »So schlimm ist der Gestank auch wieder nicht, Prinzessin.«
»Du bist eine typische Hündin, wenn’s um Gerüche geht.«
»Ich fasse das als Kompliment auf.«
Gwen deutete mit einem Nicken auf den Flur hinter ihnen. »Jemand da?«
Blayne schaute nach, schnüffelte und antwortete: »Nein.«
Nun, da sie sicher war, dass sie keine Zuschauer hatten, trat Gwen in die stockdunkle Finsternis, ohne die Taschenlampe einzuschalten, die sie bei sich hatte. Warum Batterien verschwenden, wenn sie auch ohne bestens sehen konnte?
Gwen fand die Wand mit dem Wasserschaden, die sich direkt unter den Waschbecken des Friseurladens befand. »Hier ist es.«
Blayne nickte. »Ja, das sieht nach was Langfristigem aus, oder?«
»Ich denke auch.« Gwen ließ ihre Werkzeugtaschen auf den Boden fallen, griff in eine von ihnen hinein und zog einen Vorschlaghammer heraus. Blayne tat dasselbe und stellte sich neben ihre Freundin. Gwen holte mit dem Hammer hoch über ihrem Kopf aus und donnerte ihn gegen die Wand. Als sie ihn wieder zurückzog, schlug Blayne zu. Sie machten weiter, bis sie einen ordentlichen Teil der Wand zertrümmert und sehr alte Rohre freigelegt hatten, bei denen das Wasser aus mehreren Stellen tropfte, während es sich aus anderen regelrecht ergoss.
»Okay«, sagte Gwen und untersuchte den Schaden. »Mal davon abgesehen, dass du Mitch damit foltern kannst: Was läuft da wirklich zwischen dir und Novikov?«
Blayne lachte auf. »Ich hab den armen Kerl mehr oder weniger überrollt.«
»Du, Blayne?«, erwiderte Gwen mit gespieltem Entsetzen. »Niemals!«
»Na ja, er stand da und hat sich herablassend über Roller-Derby – und mich! – geäußert, und da hab ich mir gedacht: Wieso soll er mir nicht helfen, wo er mich schließlich in diese Situation gebracht hat?«
»Und wie hat er das?«
»Indem er all das verkörpert, was ich im Sport ablehne, und …«
»Bitte, hör auf. Ich kann mir diese Rede nicht noch mal anhören.«
»Hey, schau mal!«
»Blayne, warte …«
Zu spät. Blayne hatte bereits in die Öffnung gefasst und ein Lebewesen herausgeholt.
»Ein Opossum!«
»Sieht aus wie eine riesige Ratte.«
»Das ist keine Ratte. Das ist ein Opossum. Da sieht man mal wieder, dass du noch nie im Süden warst.«
»Was gibt’s da unten denn schon, außer Schweineinnereien und Riesenratten, die sie Opossums getauft haben?«
Grinsend kraulte Blayne das widerlich aussehende Ding am Hals. »Ist der nicht süß?«
»Nicht mal ein bisschen. Aber ist mit dir und Novikov wirklich alles okay? Ich meine, Mitchs Einwände sind ausnahmsweise mal berechtigt. Der Marodeur hat nun mal einen beschissenen Ruf.«
Blayne schnaubte. »Mit dem werde ich schon fertig.«
Gwen hatte zwar keine Ahnung, warum Blayne in dieser Hinsicht so zuversichtlich war, aber sie wusste auch, dass es keinen Sinn hatte, mit ihr darüber zu diskutieren. Blayne konnte unglaublich stur sein, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Aber zur Hölle damit, wenn dieser Eishockeystar Blayne auch nur ein paar brauchbare Tipps geben konnte, würde Gwen sich nicht beschweren. Die Wolfshündin hatte zwar tonnenweise Potenzial, aber das Team konnte die Tatsache nicht länger ignorieren, dass Blayne verdammt noch mal viel zu nett war – es sei denn, sie wurde in eine Ecke gedrängt. Dann wurde sie geradezu gemeingefährlich.
Trotzdem: Bei allem, was Gwen im Laufe der Jahre über Bo Novikov gehört hatte – das Wort »nett« war nicht ein einziges Mal gefallen.
»Legst du das Ding auch
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