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Scharfe Pranken

Scharfe Pranken

Titel: Scharfe Pranken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. A. Aiken
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bereits schlechter Stimmung, drehte er sich in Richtung des Geruchs, der aus einer Gasse auf der anderen Straßenseite zu ihm drang. Bevor er jedoch herausfinden konnte, warum eine Wölfin vor Blaynes Wohnung herumlungerte, sprang Blayne vor seine Füße, breitete die Arme aus und stellte sich breitbeinig auf die Bordsteinkante. Er wusste, dass dies ihr ziemlich erbärmlicher Versuch war, ihm den Weg zu versperren.
    Wenn man bedachte, dass sie noch nicht einmal einen Dachs abwehren konnte, musste Bo ihren Schneid wirklich bewundern.
    »Es tut mir leid«, sagte sie. »Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid!«
    Um ehrlich zu sein, hatte er nicht erwartet, dass sie sich entschuldigen würde. Zumindest nicht sofort. Und falls sie sich entschuldigte, hatte er nicht erwartet, dass sie es auch so meinte. Aber sie meinte es so. Das konnte er sehen.
    »Bitte, geh nicht«, bettelte sie. »Ich war total zickig, das weiß ich. Und es tut mir leid.«
    Wenn sie sich in dieser Angelegenheit erwachsen verhalten konnte, dann konnte er es auch. »Und mir tut es leid, dass du meinetwegen so ausgeflippt bist. Ich habe nur versucht, dir zu helfen.«
    »Ich weiß. Ich weiß.« Sie legte ihre Hände auf seine Brust und, ähm, das fühlte sich wirklich verflucht gut an. »Und ich weiß das wirklich zu schätzen. Ich bin nur so ausgeflippt, weil mein Dad und ich uns mal wegen meines ›Schweinestalls‹, wie er es nannte, total in die Haare gekriegt haben. Er hat mein ganzes Zeug weggeschmissen. Während ich danebenstand! Ich war damals vierzehn, aber ich hab das Gefühl, dass ich mich nie von diesem Trauma erholt habe.«
    Bo wollte lachen, aber er wusste, dass sie es ernst meinte. »Er hat einfach alles weggeworfen?«
    »Er hat gesagt, er hätte keine Zeit, darauf zu warten, dass mein fauler Hintern in die Gänge käme und täte, was er zu tun habe, und zwar jetzt, nicht später oder wenn ich gerade Lust dazu hätte. Hast du mich gehört, kleines Fräulein? «, fragte sie mit viel tieferer, donnernder Stimme, mit der sie vermutlich ihren Vater nachahmte.
    Bo räusperte sich und unterdrückte ein Grinsen. »Dein alter Herr war nicht zufällig bei den Marines, oder?«
    Ihr Lächeln wirkte resigniert, aber trotzdem liebevoll. »Navy.«
    »Das dachte ich mir. Mein Onkel war bei den Marines. Er hat mich großgezogen, nachdem meine Eltern gestorben waren. Ich habe den … äh … Tonfall wiedererkannt.«
    »Das erklärt einiges«, sagte sie mit einer Fröhlichkeit, die er in seinem ganzen Leben noch nie bei einem Raubtier erlebt hatte. »Eltern oder Erziehungsberechtigte, die beim Militär sind, ziehen zwei Arten von Kindern groß: entweder superordentliche Kinder wie dich oder rebellisch-chaotische wie mich.«
    »Dann bin ich also langweilig?«
    »Das hab ich nicht gesagt.«
    »Aber du bist die Rebellin und ich bin der Ordnungsfanatiker.«
    »Ja. Aber ich wette, du findest immer sofort, was du suchst, wann immer du es suchst.«
    »Das stimmt. Ich nehme an, das erklärt dann auch, warum ich vom selben Produkt immer vier oder fünf Packungen bei dir habe rumliegen sehen.«
    Sie zuckte zusammen. »Meinst du so was wie Plastiktüten für Sandwiches?«
    »Davon hattest du sechzehn Packungen. Die meisten waren ungeöffnet, oder es haben nur ein paar Tüten gefehlt.«
    Sie zuckte noch heftiger zusammen. »Verdammt!«
    Erleichtert, dass sie die Tüten nur vergessen hatte und sie nicht für irgendwelche illegalen Drogengeschäfte benutzte, lachte Bo und fragte: »Hast du das restliche Antibiotikum genommen? Jetzt, wo du wach bist, musst du noch den Rest nehmen.«
    Sie blickte mit ihren wunderschönen braunen Augen zu ihm hoch. »Ich nehme sie, wenn du wieder mit mir reinkommst und mir hilfst, das chinesische Essen zu verputzen. Ich halt’s kaum noch aus – ich bin am Verhungern.«
    »Und wenn ich nicht mit dir reinkomme?«
    »Dann nehm’ ich die Tabletten nicht, die Infektion kommt zurück und ich sterbe eines entsetzlichen, traurigen Todes in meiner makellosen Wohnung, und das wird alles deine Schuld sein.«
    »Du machst wirklich gern aus allem ein Drama, was?«
    »Das tue ich. Ich kann nicht anders.« Sie packte ihn mit beiden Händen am Unterarm. »Du kannst mich doch nicht einsam sterben lassen, nur, weil ich so eine fürchterliche Zicke war.«
    »Wenn du es so formulierst …«
    »Chinesisches Essen«, erinnerte sie ihn. »Wer kann schon den Reizen der grandiosen chinesischen Küche widerstehen? Ich jedenfalls nicht. Und warum

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