Schartz, S: Elfenzeit 15: Die Goldenen Äpfel
Ende der Reise bin ich dann vielleicht sogar großzügig und lasse dich am Leben. Aber das habe ich noch nicht entschieden. Es hängt ganz von deinem Verhalten ab.«
»Alles, was du willst, Herr. Alles, alles.«
Typisch Bestie. Kaum erwischte man ihren wunden Punkt, zerfiel sie zu einem jämmerlichen rückgratlosen Fellsack.
»Du bist ein Tölpel«, stellte der Getreue fest. »Du musst noch viel lernen.«
»Ich werde ein eifriger Schüler sein ...«
»Ich habe dir nichts mehr beizubringen. Du dienst mir nur noch als Zuhörer, während ich meine Erinnerungen auffrische.« Dann hieb er die Fersen in den Löwenleib. »Und jetzt vorwärts! Wir haben schon genug Zeit verloren. Auch auf dem Weg zurück kann ich nicht alles aufholen.«
Zumindest für den Augenblick war Kurus gezähmt. Aus Angst vor dem Schmerz lief er geschwind durch die Wüste. Er hatte seine Strategie vermutlich dahin gehend geändert, dass er sich nun beeilte, um den Getreuen so schnell wie möglich loszuwerden.
Der Mann ohne Schatten tat so, als wäre gar nichts gewesen. Zunächst war er ohnehin außer Gefecht gesetzt; halb ohnmächtig kauerte auf dem mächtigen Leib und kämpfte um sein verlöschendes Leben. Gierig saugte er die Kraft der Ley-Linie auf, doch es dauerte Stunden, bis er sich einigermaßen erholt hatte. Kurus war viel zu beschäftigt mit seinem eigenen Schmerz, um es zu merken, und das war gut so.
Als er wieder bei sich war, teilte der Getreue sein Wissen weiter mit dem jungen Mantikor, ließ ihn ab und zu an einer Oase anhalten und trinken. Zu essen gab es nichts. Kurus hatte sich ausreichend gestärkt, das musste eine Weile vorhalten.
Erneut verschwammen die Grenzen um sie herum in der Mittagsglut, als die Hitzeschwaden ohnehin jede Menge Trugbilder vorgaukelten. Der Getreue musste unwillkürlich an Morgana denken, doch er ging nicht davon aus, dass sie in der Nähe war. Nach Island dürfte auch sie mit ihren geschwundenen Kräften zu kämpfen haben. Er stutzte kurz, als er merkte, dass wieder eine bruchstückhafte Erinnerung zurückgekehrt war, die er in keinen Zusammenhang setzen konnte. Morgana war auf Island gewesen? Warum?
»Meister, was ist das?«, fragte Kurus, als sie wieder einmal auf einer hohen Düne anhielten, um sich zu orientieren.
»Al Jaghbub wird sie später genannt – die große Oase kurz vor der Grenze zu Ägypten, nicht weit von Siwah entfernt. Fünfzehntausend Jahre in der Zeit zurück. Beide Oasen sind miteinander vereint und bilden das Zentrum einer gewaltigen Stadt und reichen Umlands.«
»Sind dort unten Reiter ... die andere Reiter angreifen?«
»Die Banu Hilal. Wir sind jetzt um 730 angelangt. Die Banu Hilal sind ein kriegerischer Beduinenstamm, der überall Angst und Schrecken verbreitet wie in Europa und Asien die Hunnen zuvor und die Magyaren danach. Die da unten scheinen eine allein handelnde Räubertruppe zu sein, die sich auf Karawanen spezialisiert hat – die libyschen Berber, die vor Jahrhunderten in dieses Land zogen.«
»Muss ich das verstehen?«, fragte Kurus vorsichtig.
»Nein. Lauf hinunter, ich will mir das näher ansehen. Irgendetwas sagt mir, dass mich dort etwas erwartet. Das erste Ziel der Reise ist erreicht.«
Kurus gehorchte, doch der Getreue riss trotzdem kurz am Seil, um schon den Ansatz eines aufrührerischen Gedankens im Keim zu ersticken.
Als sie ankamen, war der Kampf in vollem Gange. Der Getreue fesselte Kurus so, dass jede Bewegung sofort grausamen Schmerz auslöste, und ließ ihn hinter einer Düne zurück. Einer unbestimmten Ahnung folgend, bewegte er sich auf die Schlacht zu. Die Libyer gaben sich keineswegs leicht geschlagen, sie waren schwer bewaffnet und setzten sich gegen die Banu Hilal mit aller Gewalt zur Wehr. Noch war nicht klar, wer die Oberhand behalten würde. Am Rand stand eine hünenhafte, schwarz gekleidete Gestalt mit übergeschlagener Kapuze, die sich umdrehte, als der Getreue sich näherte.
»Da bist du«, sagte der andere.
»Bist du meinetwegen hier? Ich habe es vergessen ...«
»Aus diesem Grund.«
»Du hast gewusst, was geschehen wird?«
»Nein. Aber unser Bruder schickte mich her.«
Der andere trat nahe zum Getreuen heran und legte ihm die behandschuhte Hand unter der Kapuze auf die Stirn. Er fühlte, wie Kraft ihn durchströmte ... seine eigene, die er einst besessen hatte.
»Um nach Atlantis zu gelangen, brauchst du mehr Stärke. Ich nehme an, deswegen begegnen wir uns.«
»Dann weißt du, dass ich dorthin will?«
»Wohin
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