Schartz, S: Elfenzeit 19: Kampf um Earrach
Anzug, bestehend aus Smokinghose, Weste und einem Frack mit langen Schößen, saß perfekt. In den weiß behandschuhten Händen trug er einen Seidenzylinder, und sein makellos gestärktes weißes Hemd wurde oben von einer perfekt gebundenen schwarzen Fliege geschlossen. Schwarze Locken fielen ihm fast bis auf die Schultern herab. Seine Haut war allerdings sonderbar bleich, und als Adelaide in seine tief liegenden dunklen Augen sah, überlief sie ein eiskalter Schauer.
Das waren die Augen eines Toten.
»Er ist es«, flüsterte sie, was bei ihr eine für andere gerade so erträgliche Lautstärke bedeutete. »Der Seelenlose!«
»Oh!« Der Fremde strahlte und trat langsam näher. »Mein Ruf hat sich bereits bis hierher herumgesprochen! Ich fühle mich geschmeichelt.« Er vollzog einen vollendeten Bückling vor der Vizekönigin, doch seine Augen blieben dabei kalt und leer, trotz seines blendenden Lächelns. »Wenn Eure Hoheit gestatten, mein Name ist Cagliostro, unsterblicher Magier, zu Euren Diensten.«
»Wohl eher untoter Giftmischer …«, murmelte Sweeney Todd und maß den fremden Eindringling aus verengten Augen.
»Gestatten?«, erboste sich Fanfreluche. »Ich gestatte gar nichts! Ihr wagt es, hier einzudringen und freche Reden zu schwingen? Sweeney, Adelaide, wer ist dieser unbotmäßige Mensch?«
Cagliostro richtete sich auf und hob mit süffisantem Grinsen eine Braue.
»Ach, ein völlig unwichtiger Kerl, kaum der Rede wert.« Der Barbier winkte ab.
»Und woher bin ich Euch dann bekannt?«, fragte Cagliostro, und seine Stimme troff vor Ironie.
Sweeney wollte auffahren, doch er wurde übertönt.
»Mund halten! Ihr redet erst, wenn ich es Euch erlaube, oder Ihr werdet den Zorn einer Fee zu spüren bekommen – Magier hin oder her!«, fauchte Fanfreluche. »Adelaide, klär mich auf, sofort!«
»Gewissermaßen hat Sweeney recht«, fing die Stadttrollin an, schon allein aus Loyalität dem Middlearker gegenüber, der sie dankbar anlächelte. Sie kamen ganz gut miteinander aus, abgesehen von gelegentlichen Eifersüchteleien um die Gunst der Königin, aber das gehörte dazu. »Der Kerl da is’ ein Mensch oder zumindest war er mal einer, jetzt isser nur noch ’ne leere Hülle, bis zum Platzen angefüllt mit Magie.«
Fanfreluche hörte aufmerksam zu, das Kinn auf den Handrücken gestützt. »Woher hast du diese Kenntnis?«
»Das kam übern Elfenkanal rein, Ma’am. Es ging ’ne allgemeine Warnung seinetwegen raus, und Sweeney und ich wurden gleichzeitig informiert, aber das war nich’ weiter von Bedeutung, wie er schon gesagt hat.«
»Bis jetzt«, warf Cagliostro ein und hob sofort beschwichtigend die Hände. »Bitte um Vergebung, Majestät.« Er verneigte sich. »Euer ergebener Diener.«
Fanfreluche runzelte die hohe Stirn, ließ es ihm aber durchgehen. Sie schätzte Wesen mit guten Manieren, die sich ihr gegenüber geziemend verhielten. »Fahre fort, Adelaide.«
»Sweeney war bloß neugierig, von wegen dem Namen Cagliostro un’ so, aber vielleicht erzählt er Euch das besser selbst.«
Der Barbier nickte. »Wie Ihr wisst, meine Königin, entstamme ich dem neunzehnten Jahrhundert, und damals schwankte man zwischen Wissenschaft und Magie hin und her. Als Barbier muss ich mich in diesen Dingen auskennen, um mit meinen Kunden darüber reden zu können …«
»Vorher oder nachher?« Cagliostro kicherte und fuhr sich mit dem Finger an der Kehle entlang.
»Jedenfalls kenne ich natürlich alle Geschichten über Alchemisten und Konsorten des turbulenten Jahrhunderts davor«, fuhr der Barbier ungerührt fort. »Und einer der berühmtesten ist Cagliostro. Aber das kann der da nicht sein.« Er deutete auf den ungebetenen Gast. »Der ist ein Scharlatan!«
Cagliostro seufzte. »Ja, wie oft hat mein armer Vater das gehört …« Er wandte sich der Vizekönigin zu. »Mit Eurer Erlaubnis will ich Licht ins Dunkel bringen.«
»Also schön.« Fanfreluche zeigte eine gelangweilte Miene und zupfte an ihren Ketten.
»Geboren wurde ich 1769; ich bin der Sohn von Giuseppe Balsamo, genannt Cagliostro, und Lorenza Feliciani. Seit meiner Geburt bin ich mit magischem Talent gesegnet, das ich weidlich auszunutzen verstand. Ich residierte lange Zeit in der Lagune von Venedig, bis ein törichtes Frauenzimmer mich von dort verjagte. Dabei geriet ich in die Gefangenschaft eines Mummenschanzes und fand mich im Schattenland wieder.«
Falls Cagliostro erwartete, dass seine Zuhörer darauf mit Schreckensrufen reagierten, hatte er
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