Schatten Der Erinnerung
Industrie, Technologie und Landwirtschaft hatten in Kalifornien Einzug gehalten. Große Ranches, autark wie Miramar, waren nicht mehr zeitgemäß, sondern Reiche, die der Vergangenheit angehörten, Dinosaurier, die in der Zukunft nicht überleben konnten. Sie waren einfach nicht mehr lebensfähig. Die Zukunft gehörte anderen Unternehmungen wie Bergbau, Holzverarbeitung, Landwirtschaft. Schon gab es riesige Landwirtschaftsbetriebe in Kalifornien, die durch den Anbau von Orangen und Zitronen sowie Weizen und. Gerste große Gewinne machten.
Miramar war Land im Überfluß, und ein großer Teil davon war fruchtbar. Die wenigen Obstplantagen brachten die süßesten Früchte im County und den besten Wein hervor. Sie besaßen umfangreichen Waldbesitz, und Slade wusste, dass unter geschickter Leitung ein Teil davon gewinnbringend genutzt werden konnte, indem man ihn urbar machte und bebaute. Nichts müsste geplündert und zerstört werden. Die Zeit für Änderungen war gekommen, Miramar musste ins zwanzigste Jahrhundert geführt werden. Die größte Ironie lag darin, dass Slade wusste, er wäre dazu in der Lage, es aber nicht tun würde.
Statt in Miramar einen Aufschwung herbeizuführen, würde er morgen von hier direkt in die große Stadt fahren, wo er jetzt hingehörte.
Als Slade zum Hotel zurückkam, war es bereits dunkel. Nach einem Besuch in der Kneipe war er wieder nüchtern.
Die Kneipe sollte gerade geschlossen werden, aber Mrs. Burke hatte gesehen, wer an der Tür stand, ihn sofort hereingebeten und ihm ein Essen zubereitet. Sie servierte ihm ein dickes rohes Steak, das er mit viel starkem Kaffee hinunterspülte. Er schaffte es sogar, ein halbes Stück von ihrem Apfelkuchen zu essen. Es schien ihr Freude zu machen, ihn zu umsorgen, obwohl er den Grund dafür nicht verstand. Als Junge hatte er nämlich auch ihr einige gelungene Streiche gespielt denn sie war in seinem Alter. Er kam zu dem Schluß, dass sie so freundlich zu ihm war, weil sie ihn wegen seines Verlustes bedauerte.
»Komm bald zurück, Slade«, flüsterte sie an der Tür, als er ging.
Er nickte und bedankte sich. Er spürte förmlich, wie sie ihm nachsah. Ihre Aufforderung hatte er verstanden, aber nicht den Grund dafür. Sie war sehr hübsch, doch konnte er sich nicht vorstellen, sie jemals beim Wort zu nehmen.
Er holte seinen Schlüssel an der Rezeption und stieg langsam die Treppe hinauf. Immer stärker wurde er sich der Tatsache bewusst, dass Elizabeths Zimmer oben an der Treppe lag. Schnell war die Erschöpfung, die ihn übermannt hatte, verschwunden. Mehr denn je war er dazu entschlossen, morgen abzureisen.
Dennoch machte er im Flur halt und blickte zu ihrer Tür. Sein Körper spannte sich, und er dachte überwältigt an ihr herrliches Gesicht mit den großen goldenen Augen. Unvermittelt überfiel ihn die Frage, die er den ganzen Abend vermieden hatte. Sein verräterisches Gemüt traute sich zu fragen, ob sie jemand anderes als Elizabeth Sinclair sei.
Er versuchte seinen Gedanken Einhalt zu gebieten. Nicht jetzt, nicht schon wieder. Doch tief in seinem Herzen blieb ein Rest Hoffnung. Was für ein Narr er doch war! Er ballte die Faust, und dabei grub sich der Schlüssel tief in seine Hand. Morgen würde er in den Norden zurückkehren. Sie würde ihre eigenen Probleme lösen. Er versuchte sich nicht daran zu erinnern, wie sie in seinen Armen geweint, sich an ihn gedrängt und ihn so hoffnungsvoll angeblickt hatte, als ob er ein Held wäre. Dabei war er alles andere als das.
Weiter vom öffnete sich eine Tür zum Korridor, und Rick kam heraus. Seine große, mächtige Gestalt steckte in einem dünnen Schlafanzug aus roter Wolle. »Dachte ich es mir doch, dass du hier bist.« Er sah seinen Sohn an.
Langsam wandte Slade den Blick zu seinem Vater. »Ich gehe jetzt zu Bett.« Aber er wartete inständig darauf, dass Rick ihm mitteilen würde, was er über ihre Identität wusste.
»Du warst drüben bei Dom?«
Slade nickte.
»Nimm ein Bad. Du riechst nach Rauch, Alkohol und billigem Parfum.«
Das bildete sich Rick nur ein, denn Slade roch natürlich nicht nach dem Parfüm einer Hure, aber er widersprach nicht. Wenn sein Vater etwas derartig Hässliches glauben wollte, dann würde er es sowieso tun. »Warum?«
»Ich möchte nicht, dass Elizabeth dich so sieht.«
»Um diese Zeit schläft sie sicher.« Also war sie Elizabeth und somit die Verlobte von James.
»Ich möchte mit dir reden.«
»Aber ich will nicht reden, sondern ins Bett
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