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Schatten Der Erinnerung

Schatten Der Erinnerung

Titel: Schatten Der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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einigen besonders wilden Ideen ab. James stellte sich auch immer vor Slade, wenn dieser bei einer Missetat ertappt worden war. Er hoffte, dadurch die Erwachsenen abzulenken oder die Schuld auf sich zu nehmen. Doch niemand glaubte James, da, alle Slade nur zu gut kannten.
    Jetzt konnte Slade das akzeptieren. Als junge hatte er größere Schwierigkeiten damit gehabt. Damals hatte er es äußerst ungerecht gefunden, dass ihm sofort für jede Übeltat die Schuld gegeben wurde, auch wenn er tatsächlich für die meisten Streiche verantwortlich war. Einige dieser Streiche, die er und sein Bruder verübten, waren liebenswert, andere gemein. Es stand außer Frage, dass er der Anführer des unternehmungslustigen Paares war, das später, als er etwas älter war, durch Edward zu einem Trio ergänzt wurde.
    Als Erwachsener konnte er heute auf den jungen Slade zurückblicken und traurig lächeln, denn es war offenkundig, warum er ein derartig uneinsichtiger Unruhestifter gewesen war. Er hatte verzweifelt nach Aufmerksamkeit gesucht. Die einzige Möglichkeit sie zu bekommen, bestand für ihn darin, Schwierigkeiten zu machen. Ein Ärgernis folgte auf das andere. Unzählige Male war er bestraft worden, aber Hausarrest und ein gelegentlicher Klaps konnten ihm nicht helfen.
    Dennoch war nicht er es gewesen, von dem die fünfzehn Jahre alte Janey Doyle schwanger geworden war, sondern Edward. Das ärgerte und schmerzte ihn immer noch. Obwohl Edward die Verantwortung für die Tat übernommen hatte, glaubte ihm niemand, denn Edward war damals erst zwölf Jahre alt. Natürlich dachte niemand, dass James jemals über ein unschuldiges Nachbarmädchen herfallen würde. Nein, alle glaubten, dass er, Slade, der in Wirklichkeit noch unberührt war, der Schuldige war.
    Für diesen Vorfall gab es keinen Klaps. Slade hatte bereits vor der Bestrafung damit aufgehört, seine Unschuld zu beteuern. Edward bekannte seine Schuld immer wieder und wurde schließlich in sein Zimmer eingesperrt. Rick peitschte Slade aus, wobei Slade keinen einzigen Schrei von sich gab. Rick war so aufgebracht, dass Slade wirklich Angst hatte - allzu große Angst um zu verstehen, was sein Vater zum Ausdruck bringen wollte. Rick warf ihm vor, genauso zu sein wie seine Mutter. Im Nachhinein erschien ihm das als blanke Ironie, denn er war völlig anders als seine Mutter.
    Jetzt besaß er genügend Lebenserfahrung und hatte sich weit genug gelöst um zu erkennen, dass die Auspeitschung nur der Auslöser für sein Fortlaufen gewesen war, aber nicht die Ursache. Die Angelegenheit mit Janey Doyles Schwangerschaft war lediglich der Höhepunkt in einem niemals endenden und verbitterten Kampf gewesen, den er um seines Vaters Aufmerksamkeit geführt hatte. Für ihn hatte das Auspeitschen eine vernichtende Niederlage bedeutet, nicht für seinen Körper, sondern für seine Seele. Und Rick hatte nichts unternommen, um ihn zurückzuhalten, sondern ihn ziehen lassen.
    James dagegen hatte versucht, ihn zum Bleiben zu bewegen. Slade konnte noch immer seine eindringliche Stimme und Edwards leises Weinen hören.
    »Du kannst doch nicht gehen. Er hat es nicht so gemeint.«
    »Doch, er hat es so gemeint. Schließlich habe ich sechs Striemen auf meinem Rücken. Er hat es so gemeint.«
    Slades Stimme brach.
    »Lass mich Jojo holen«, schlug James besorgt vor. Jojo war ihr Spitzname für die Frau, die sie beide bemuttert hatte., »Sie ist in der Küche und weint sich deinetwegen die Augen aus.«
    Slade dachte, dass auch er bald in Tränen ausbrechen würde. Wenigstens sie kümmerte sich um ihn, wie sie es immer getan hatte. Aber an diesem Abend genügte das nicht. Er sah Edward böse an, der hinter James stand und einen Schluckauf hatte. Im dunklen Stall wirkte er wie ein kleiner, geräuschvoller Schatten. »Sag ihm, er soll damit aufhören.«
    »Hör auf«, befahl James, aber seine Stimme klang nicht streng. Er hielt Edward an der Schulter fest. »Es ist nicht deine Schuld. Du hast die Wahrheit gesagt.«
    »Slade geht wegen mir weg«, weinte Edward, »ich hätte ausgepeitscht werden müssen, nicht er!«
    »Das stimmt«, erwiderte James. »Denk nicht mehr daran. Slade, geh nicht weg. Ich bin gleich mit Jojo zurück. Sie kann dir Salbe auf den Rücken auftragen.« Seine Stimme klang verzweifelt.
    »Nein, sie wird dann nur noch mehr weinen.« Mühsam drehte sich Slade um, denn sein Rücken schmerzte. Er führte den kleinen Rotschimmel aus dem Stall. Rick wäre vermutlich wütend auf ihn gewesen, wenn

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