Schatten der Liebe
mit einem frechen Grinsen hinzu und setzte sich neben Meredith auf die Treppe.
Meredith, die dieses Wort zum ersten Mal hörte, wußte in ihrer Naivität nichts damit anzufangen, aber Lisas Äußerung zufolge nahm sie an, daß es etwas sein mußte, was die Schüler von St. Stephen's besser nicht machen sollten. Sie versuchte, sich weltgewandt zu geben und sagte: »Für diese Art von Küssen läßt Pater Vickers einen die ganze Kirche putzen.«
Lisa kicherte und betrachtete Meredith neugierig: »Hat dein Freund auch eine Zahnspange?«
Meredith dachte an Parker und schüttelte den Kopf.
»Wahrscheinlich besser so«, sagte Lisa und grinste breit. »Ich wollte schon immer wissen, wie sich zwei Leute mit Zahnspangen küssen können, ohne sich dabei zu verhaken. Mein Freund heißt Mario Campano. Er ist groß, dunkelhaarig und sieht sehr gut aus. Wie heißt deiner? Wie ist er?«
Meredith warf einen kurzen Blick auf die Straße und hoffte inständig, daß Fenwick vergessen hätte, daß die Schule heute früher aus war. Obwohl sie sich bei dem Thema ihrer Unterhaltung alles andere als wohl fühlte, faszinierte Lisa Pontini sie, und irgendwie spürte Meredith, daß das Mädchen ernsthaft daran interessiert war, ihre Freundin zu werden. »Er ist achtzehn und sieht aus wie Robert Redford«, antwortete Meredith wahrheitsgemäß. »Er heißt Parker.«
»Wie ist sein Vorname?«
»Das ist sein Vorname. Mit Familienname heißt er Reynolds.«
»Parker Reynolds«, wiederholte Lisa und rümpfte die Nase. »Klingt nach High Society-Snob. Ist er gut?«
»Wie - gut?«
»Gut im Küssen, was sonst?«
»Ach so. Ja - natürlich. Einfach phantastisch.«
Lisa musterte sie spöttisch. »Er hat dich gar nicht geküßt. Du wirst ja rot, wenn du lügst.«
Meredith stand abrupt auf. »Hör zu«, fing sie ärgerlich an, »ich habe dich nicht gebeten, mit mir zu reden, und ich ...«
»Hey, sei doch nicht gleich so empfindlich. Küssen ist auch gar nicht so wahnsinnig toll. Ich meine, das erste Mal, als Mario mich geküßt hat, war es furchtbar peinlich.«
Merediths Ärger war verflogen, sowie Lisa von sich selbst erzählte, und sie setzte sich wieder hin. »War es peinlich, weil er dich geküßt hat?«
»Nein, es war deshalb so schlimm, weil ich mich dabei gegen unsere Haustür gelehnt habe und mit der Schulter an die Klingel kam. Mein Vater riß die Tür auf, und ich bin mit dem Rücken gegen ihn gefallen, während ich mich gleichzeitig an Mario festgeklammert habe, als hinge unser Leben davon ab. Es hat eine Ewigkeit gedauert, bis wir drei wieder auf die Füße kamen.«
Merediths Lachen blieb ihr im Halse stecken, als sie den Rolls um die Kurve kommen sah. »Da kommt mein ... Ich werde abgeholt«, sagte sie ausweichend und räusperte sich.
Lisa drehte sich um und schnappte nach Luft. »Jesus Maria, ist das ein Rolls-Royce?«
Unbehaglich nickte Meredith und sagte achselzuckend, während sie ihre Bücher aufhob: »Ich wohne ziemlich weit weg, und mein Vater will nicht, daß ich mit dem Bus fahre.«
»Dein Vater ist Chauffeur, was?« Lisa ging neben Meredith zum Wagen. »Ich stelle es mir toll vor, in so einem Auto herumzufahren, und so zu tun, als sei man stinkreich.« Ohne auf Merediths Antwort zu warten, fuhr sie seufzend fort: »Mein Vater ist Installateur. Seine Gewerkschaft streikt gerade, und deshalb sind wir umgezogen, weil hier die Miete noch billiger ist. Du weißt ja, wie das ist.«
Meredith hatte nicht die blasseste Ahnung, »wie das ist«, aber sie kannte die Wutausbrüche, die ihr Vater zu bekommen pflegte, wenn ein Gewerkschaftsstreik Geschäftsinhaber wie die Bancrofts betraf. Sie nickte verständnisvoll. »Es muß hart sein«, sagte sie und fügte spontan hinzu: »Sollen wir dich heimfahren?«
»Blöde Frage! Nein, warte - können wir es auf nächste Woche verschieben? Ich habe sieben Geschwister, und meine Mutter hat mindestens zwanzig Sachen für mich zum Erledigen. Ich bleibe lieber noch ein bißchen hier und gehe dann zur normalen Zeit heim.«
Das war letzte Woche gewesen, und die Freundschaft, die an jenem Tag zögernd begonnen hatte, war durch beiderseitige Bekenntnisse und unter viel Gelächter gewachsen. Jetzt, da Meredith das Photo Parkers in ihrem Album betrachtete und an den Ball am kommenden Samstag dachte, beschloß sie, Lisa morgen in der Schule um Rat zu fragen. Lisa kannte sich mit Frisuren und solchen Sachen aus. Vielleicht hatte sie eine Idee, wie sie Parkers Aufmerksamkeit auf sich ziehen
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