Schatten der Vergangenheit (Junge Liebe) (German Edition)
mit ihr, denn irgendwie ist sie ja auch meine große Schwester. Zumindest habe ich mir das schon immer gewünscht und einfach vorgestellt. Teil ihrer und Marcs kleiner heilen Familie zu sein und sie haben mich auch beide eigentlich immer wie einen Bruder behandelt.
Was mir zugegeben bei Marc nicht uneingeschränkt so richtig gefallen hat, weil in mir scheinbar doch schon immer diese unterdrückte Sehnsucht schlummerte, mehr als nur ein Freund oder Bruder für ihn zu sein. Und allein dieses verdrängte Verlangen nach ihm ist sicherlich auch schuld, dass ich Marc jetzt irgendwann wohl erklären muss, was genau Carsten eigentlich von mir will.
„Süßer, du glaubst nicht, wie wahnsinnig stolz ich auf Marc bin. Du musst mitkommen“, holt Melissa mich abermals aus dem Versuch, eine plausible Erklärung für Marcs Verhalten zu finden und zieht mich, ohne dass ich es verhindern könnte, von meinem Stuhl hoch.
„Lissy nein, ich muss doch hier warten, bis er wiederkommt“, flüstere ich flehend und bemerke selber viel zu spät, wie albern ich mich gerade aufführe. Denn ganz sicher hat Marc kein Recht, von mir zu verlangen, wie ein braves Schoßhündchen auf ihn zu warten. Schon gar nicht ohne ein gutes Argument, was er ja ohnehin nicht vorgebracht hat, wie auch, wenn er einfach so von den anderen Idioten weggezerrt wird. Wo er eigentlich bei mir bleiben und mir endlich ein bisschen Gewissheit verschaffen sollte. Trotzdem gebe ich ihm eine gewisse Teilschuld, denn immerhin hätte er sich ja auch wehren können.
Langsam muss ich mir wirklich selbst eingestehen, dass ich noch vollkommen verblöde, je länger ich hier in meiner alten Heimat bleibe, und sollte schleunigst über meine Heimreise nachdenken. Denn meine Gedanken sind so konfus und kaum nachvollziehbar, dass sie mir selbst ein bisschen Angst machen. Ganz zu schweigen, dass ich durch meine Überlegungen ständig dermaßen abgelenkt bin, dass ich um mich herum vieles nicht wirklich mitkriege. Wie zum Beispiel gerade jetzt, als ich plötzlich in einem Auto sitze und mich frage, wie ich hier hergekommen bin.
Doch bevor ich Panik schiebe, lächelt Melissa mich glücklicherweise durch das geöffnete Seitenfenster an und strahlt schon wieder so erwärmend, dass einfach alles so seine Richtigkeit haben muss.
„Vertreibst du mich von deiner Party, weil dein Bruder sich mir vor allen Leuten unzüchtig genähert hat?“, grinse ich Lissy frech an, weil ich keine Ahnung habe, was das hier wird und damit ein bisschen meine Unsicherheit überspielen will, aber sie nur absolut lieb lächelnd ihren Kopf schütteln lässt.
„Spinner, du weißt ganz genau, dass ich sonst was dafür gegeben hätte, dass er noch viel weiter geht. Jennys angepisstes Gesicht war das schönste Hochzeitsgeschenk, was ich bekommen konnte, auch wenn es eine ziemlich übertriebene Reaktion von ihr war. Gerade weil sie ja gestern beim Polterabend lautstark vor der versammelten Gesellschaft mit Marc Schluss gemacht hat. Diese blöde Pute“, redet Lissy auf mich ein und bereitet mir ein ganz komisches Gefühl im Magen, weil sich Marcs Aktion auf einmal gar nicht mehr so aufregend schön anfühlt, sondern einen bitteren Beigeschmack bekommt.
„Es war nur Rache?“, muss ich mich schwer beherrschen, um den Knoten in meinem Hals nicht wachsen zu lassen und daran zu ersticken, was meine krächzende Stimme viel zu deutlich macht und schnelle hastig mit meinem Kopf herum, als die andere Tür des Autos aufgeht.
„Das war es nicht, Beauty“, flüstert Marc sanft und lässt sich in einer geschmeidigen Bewegung auf den Sitz neben mich gleiten, ehe er mir ganz zärtlich mit seinen Fingern über die Wange streichelt, was mich schwer schlucken lässt und ich gegen diese verdammten Tränen ankämpfe. Ich begreife selbst nicht, wieso Marc es immer wieder schafft, mich dermaßen aus der Fassung zu bringen und ich mich jedes mal hin und hergerissen fühle, wenn es um ihn geht.
Seine Berührung fühlt sich so unglaublich gut und auf eine gewisse Art überwältigend an, dass ich ihm auf der Stelle alles vergeben mag, was immer er auch getan hat oder noch tun wird. Und auf der anderen Seite möchte ich ihn für diese ständige Ungewissheit am liebsten hassen. Wozu ich aber niemals komme, weil er einfach immer genau im richtigen Augenblick weiß, wie leicht er mich beeinflussen und einwickeln kann. Und das tut er gerade auf die grausamste aller Arten, indem er sich mir mit seinem unwiderstehlichen Lächeln nähert
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