Schatten Der Versuchung
auf diese Art. Niemals!
Natalya zog das Messer, das an ihrem Unterschenkel befestigt war, und trat wild entschlossenen ans Bett.
Vikirnoff beobachtete sie mit unbewegter Miene.
»Du hast irgendetwas mit mir angestellt. Du hast mich gezwungen, dich anzunehmen.« Ihre Augen funkelten ihn böse an und wechselten erneut von Grün zu einem eigenartigen Wirbel schillernder Perlmuttfarben. »Obwohl ich deine Art verachte, war ich bereit, Slavica wehzutun, einer Frau, die ich für meine Freundin halte. Daran bist du schuld. Warum hast du das gemacht? Ich hätte dich den Vampiren überlassen können.«
»Nein, das hättest du nicht«, sagte Vikirnoff. Obwohl sie wütend auf ihn war und die Art ihrer Beziehung nicht akzeptieren konnte und obwohl er sie nicht kannte und nicht verstand, wusste er, dass sie ein Wunder war. Ein Geschenk. Er empfand unerklärliche Freude, als er einfach dalag und darauf wartete, dass sie zur Vernunft kam. Er versuchte, das Lächeln zu unterdrücken, das ihm zu entschlüpfen drohte. Nach all den Jahrhunderten wusste er endlich, was Glück bedeutete. Er konnte es spüren, und es war ein berauschendes Gefühl. Er war so knapp davor gewesen, zum Vampir zu werden, aber sie war gekommen und hatte ihn gerettet.
Sie hatte ihn nicht retten wollen. Der Gedanke verwirrte ihn. Frauen sollten den Wunsch haben, bei ihren Gefährten zu sein und alle ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Er hatte nur noch vage Erinnerungen an seine Eltern, doch er war sich ziemlich sicher, dass es so sein sollte. Es sei denn, er hatte tatsächlich vergessen, wie die Beziehung zwischen seinem Vater und seiner Mutter gewesen war.
Natalyas kleine weiße Zähne klickten vor Wut aufeinander. Das überlegene kleine Lächeln, das fast unmerklich um seine Mundwinkel spielte, weckte in ihr den Wunsch, ihn zu ohrfeigen. »Du gehörst zu den Vampiren. Glaubst du, ich kann die Finsternis in dir nicht fühlen? Sie nicht riechen? Du triefst geradezu davon ! In dir ist ein dunkler Fleck, den du nicht mehr loswirst. Du hast den Tod verdient.«
»Mag sein, doch nicht von deiner Hand. Ich gebe zu, dass die Dunkelheit in mir stark ist und ich sie nicht überwinden kann, aber du kannst es. Und du wirst es. Als meine Gefährtin des Lebens ist es deine Pflicht, und ich werde dich nicht von deinen Pflichten entbinden, nur weil du nicht weißt, was von dir erwartet wird. Die Situation ist für uns beide ungewohnt, doch wir werden lernen, damit umzugehen. Ich bin vielleicht nicht der Gefährte, den du erwartet hast, aber du bist auch nicht das, was ich erwartet hatte. Wir werden es zusammen lernen.«
Warum verletzten seine Worte sie so? Außer ihrem geliebten Bruder hatte es nie jemand geschafft, sie verbal zu verletzen. Sie hielt alle Gefühlsregungen strikt unter Verschluss, aber trotzdem waren Vikirnoffs Worte fast genauso scharf und verletzend wie das Messer in ihrer Hand. Dass sie seinen Erwartungen nicht entsprach, hieß schließlich nicht, dass sie als Person abzulehnen war, oder? Und was kümmerte es sie überhaupt, was er von ihr hielt?
»Zum Teufel mit dir!«, fuhr sie ihn an. Ihr Zorn war urplötzlich verraucht, und Tränen – Tränen ! – brannten in ihren Augen. Zorn wäre ihr lieber gewesen. Sie brauchte ihn als Schutzschild. Warum schlug Vikirnoff nicht zurück? Warum sagte oder tat er nicht irgendetwas, um sie wieder in Wut zu bringen?
Natalya umklammerte das Messer so fest, bis es in ihrer Hand zu zerbrechen drohte, und atmete tief ein. »Ich warte einfach ab, bis du schläfst und dein Körper schwer wie Blei ist. Dann ziehe ich die Vorhänge auf und lass deinen wertlosen Hintern von der Sonne braten.« Ihre Stimme war leise und ihre Worte waren hart, doch innerlich weinte sie.
Sie wollte ihn töten. Er hatte den Tod verdient. Jeder Jäger sollte zusammen mit den Vampiren sterben, auf die er Jagd machte. Weder Jäger noch Gejagte hatten ein Herz oder Gefühle. Und doch ... wenn sie ihn anschaute, sah sie einen schwachen Schimmer von Glück in seinen Augen. Er war ihretwegen glücklich. Ihretwegen. Niemand hatte sie je so angesehen. Und auch Verlangen lag in seinen Augen. Wie oft hatte er sich vorhin im Wald vor sie gestellt, um sie vor einem der Vampire zu beschützen? Er hatte versucht, sie vom Kampfplatz wegzuschicken. Sosehr sie auch wünschte, sie könnte sich durch diese alberne Geste in ihrem Stolz verletzt fühlen, in Wirklichkeit fühlte sie sich beschützt.
Natalya schüttelte den Kopf. Sie wollte keine Entschuldigungen
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