Schatten Der Versuchung
ihrer beider Emotionen beeinflussen zu lassen. Es war seine Pflicht, seine Gefährtin zu beschützen und für ihr Wohlergehen zu sorgen. Irgendwie musste er die Situation entschärfen, bis Natalya sich wieder im Griff hatte.
»Vielleicht könnten Sie die benötigten Kräuter und die Erde holen, Slavica. Sie wissen, was wir brauchen. Natalya wird auf mich aufpassen.« Vikirnoff brach weder den Blickkontakt ab, noch lockerte er den geistigen Zugriff auf seine Gefährtin. Das konnte er nicht riskieren. Es war sehr anstrengend für ihn, aber die Alternative war undenkbar. Eigentlich hätte Natalya ihn nicht nur heilen, sondern ihm als seine Gefährtin des Lebens auch geistigen und seelischen Halt geben müssen. Stattdessen stachelte sie all seine animalischen Instinkte so sehr an, dass er nicht nur um seine eigene Selbstbeherrschung kämpfen, sondern auch Natalya Einhalt gebieten musste.
»Sind Sie sicher, dass das in Ordnung ist?«, flüsterte Slavica.
Ein gereiztes Grollen kam aus Natalyas Richtung.
»Ja, danke.« Ein weiteres leises Grollen, diesmal von ihm, begleitete seine Worte, und er schaute Slavica nicht an, sondern hielt Natalya mit seinem Blick an Ort und Stelle fest.
Vikirnoff fühlte sich völlig hilflos. Die Herzschläge waren so laut, dass sie in seinem Kopf dröhnten. Er brauchte Blut und musste irgendwie die Gefahr kontrollieren, die von seiner Gefährtin ausging. Slavica musste das Zimmer verlassen, bevor es zu einer Katastrophe kam. Natalya seinem Willen zu unterwerfen, war sehr schwierig, da er vom Blutverlust immer schwächer wurde.
Slavica bewegte sich langsam und vorsichtig. Sie war klug genug, die Gefahr zu wittern, und mutig genug, um das Bett herumzugehen, das Zimmer zu verlassen und die Tür hinter sich zu schließen.
»Komm her zu mir«, befahl Vikirnoff, wobei er seine Stimme um eine Oktave senkte, bis sie samtweich und hypnotisch klang.
Natalya schüttelte den Kopf, als wollte sie versuchen, wieder klar zu denken. Im Gegensatz zu anderen Personen, die Vikirnoff zu sich rief, war sich seine Gefährtin durchaus bewusst, dass sie unter Zwang stand. Seltsamerweise wehrte sie sich nicht gegen ihn, wie sie es hätte tun können, sondern trat zögernd einen Schritt vor, bezwungen von seinen tiefschwarzen Augen und einem bohrenden Hunger, den sie nicht erklären konnte.
Derselbe Hunger war in ihr, krallte sich in ihr Inneres und verursachte sehr reale Schmerzen und drohte sie beide zu verzehren.
Ihr war eindringlich bewusst, dass sich in diesen Hunger Begehren und Lust mischten, ein leidenschaftliches Verlangen, das an Besessenheit grenzte. Fasziniert von dem bezwingenden Ausdruck in seinen Augen, trat sie aus dem Schatten, indem sie langsam einen Schritt nach dem anderen machte, fast wie in Zeitlupe.
Mit den straffen Muskeln, die sich kaum merklich unter ihrer zart schimmernden Haut abzeichneten, wirkte sie ätherisch, beinahe unwirklich. Eindeutig nicht menschlich. Vikirnoff versuchte kurz, tiefer in ihr Bewusstsein einzudringen und die Geheimnisse zu ergründen, die sich hinter ihren seltsamen Denkmustern verbargen. Hunger setzte ihm gnadenlos zu. War es ihr Hunger oder sein eigener? Vikirnoff konnte es nicht mehr unterscheiden. Er wusste nicht, wessen Emotionen es waren, die so eindringlich zu spüren waren. War sie eifersüchtig? Oder war es das Tier in seinem eigenen Inneren, das sich in wildem Verlangen aufbäumte?
Frauen verkörperten Helligkeit und Licht. Fühlten auch sie den Schmerz, der wie ein Messer im Inneren wühlte? Den Drang zum Töten? Wie gebannt beobachtete er, wie Natalya aus den blassen Lichtstreifen heraustrat. Ihre eigenartigen Augen, die mal grün, mal blau schimmerten, hefteten sich auf ihn und fixierten ihn, als wäre er die Beute, nicht umgekehrt. Die Tigerin war auf der Jagd und die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt. Gefahr lag in der Luft.
Natalya konnte nicht stehen bleiben. Sie hatte das Gefühl, sich wie in einem Traum, über den sie keine Kontrolle hatte, zu bewegen, abseits zu stehen und mit wildem Herzklopfen zu beobachten, was vorging. Sie meinte, kurz davor zu sein, laut zu schreien, um endlich aufzuwachen. Sie wusste wirklich nicht, ob sie die Absicht hatte, ihn zu töten. Er machte ihr Angst. Sie spürte die Dunkelheit in ihm, die immer stärker wurde, und obwohl ihr Selbsterhaltungstrieb sehr ausgeprägt war, war sie nicht in der Lage, ihre Schritte aufzuhalten.
Vikirnoffs Finger legten sich ungeheuer stark und unglaublich sanft um ihre
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