Schatten Der Versuchung
im Kampf gegen das Böse jemanden verloren, den wir geliebt haben.«
Das Klopfen an der Tür bewahrte Natalya davor, darauf zu antworten. Slavica öffnete vorsichtig die Tür. »Darf ich hereinkommen?«
»Ja, komm nur«, antwortete Natalya. »Du kannst dich jetzt gern um ihn kümmern.« Sie musste fort von hier, musste ihre aufgewühlten Emotionen in den Griff bekommen. Noch nie hatte sie eine derartige Achterbahnfahrt der Gefühle erlebt, und sie wollte so etwas auch nie wieder mitmachen. Erschöpft und gegen Tränen kämpfend, schnappte sie sich saubere Sachen und lief ins Badezimmer. »Ich gehe unter die Dusche!«
Kapitel 4
N atalya scheint sehr aufgeregt zu sein«, bemerkte Slavica, die einige Kerzen anzündete, um den Raum mit belebenden Aromen anzureichern. »Fällt es den Frauen bei euch immer so schwer, die Hilfe anderer Frauen bei ihren Männern zu akzeptieren? Ich bin doch Krankenschwester, und Sie sind so schwer verletzt.«
Vikirnoff schenkte ihr ein schwaches Lächeln. »Ich habe in den letzten Jahren nur zwei Frauen meiner Spezies kennengelernt, und beide kamen mir schwierig vor. An diejenigen, die ich früher kannte, kann ich mich kaum noch erinnern.«
»Natalya ist ein liebes Ding«, sagte Slavica. »Mirko, mein Mann, wird Prinz Mikhail davon verständigen, dass Sie verwundet sind. Ich habe ihm erzählt, dass einer unserer Gäste in Natalyas Zimmer eingebrochen ist, als sie unterwegs war. Das bereitet mir wirklich Sorgen.« Sie runzelte die Stirn, als sie die klaffende Wunde in seiner Brust begutachtete. »Und das hier auch. Muskel und Gewebe sind bis knapp vors Herz aufgerissen. Ihre Arterie liegt bloß, und es scheint sich eine Infektion zu bilden.«
»Vampire sind unerfreuliche Zeitgenossen. Sie lassen gern ihr Zeichen zurück.«
Natalya lehnte an der Badezimmertür und lauschte dem Gespräch. Sie schämte sich für ihre Eifersucht. Sie war kein liebes Ding. Sie war eine erwachsene Frau, wesentlich älter als Slavica, und sollte nicht so leicht die Beherrschung verlieren. Ihre schnippische Art war sorgfältig kultiviert, um andere auf Distanz zu halten, aber normalerweise hatte sie sich gut im Griff. Die Begegnung mit Vikirnoff hatte sie völlig durcheinandergebracht. So wie sie im Moment war, gefiel sie sich gar nicht.
Natürlich war das Loch in Vikirnoffs Brust besorgniserregend. Ein Vampir hatte versucht, ihm das Herz herauszureißen. Was meinte Slavica damit? War es eine tödliche Wunde? Die tiefen Kratzer der Tigerkrallen an seinem Rücken hatte Slavica noch gar nicht entdeckt. Würde Vikirnoff doch noch sterben? Natalya war so sehr damit beschäftigt gewesen, sich ihrer Leidenschaft hinzugeben, dass sie beinahe vergessen hatte, was er erlitten hatte, um sie zu verteidigen. Sie verabscheute sich zutiefst für ihr Verhalten.
Frustriert schlug sie mit dem Hinterkopf an die Wand. Was läuft bloß falsch bei mir?
Gar nichts läuft falsch. Du hast die Version einer Geschichte gehört und sie geglaubt. Du meinst, ich wäre dein Feind, aber du bist die andere Hälfte meiner selbst, und deine Seele erkennt mich. Kein Wunder, dass du durcheinander bist.
Vikirnoffs ruhige Stimme drang in ihr Bewusstsein. Die Stimme der Vernunft. Eine Stimme voller Reinheit und Aufrichtigkeit. Und ziemlich überlegen – als gäbe er ihr die Erlaubnis, aufgeregt zu sein. Und das machte sie rasend. Du brauchst keine Entschuldigungen für mich zu suchen. Ich bin durchaus imstande, eigene Entscheidungen zu treffen. Alles an dir geht mir total gegen den Strich.
Alles? Sein Ton war milde, aber eine Spur anzüglich.
Natalya kniff ihre Augen fest zu, als Wärme ihren Körper überflutete. Wenn seine Stimme sie schon schwach vor Verlangen machte, musste sie sich wirklich davor fürchten, was passieren könnte, wenn er sie berührte. Momentan war sie sehr verletzlich, das war das Problem. Sie sehnte sich nach einem Heim und einer Familie. Nach jemandem, mit dem sie ihr Leben teilen konnte. Und ausgerechnet er musste auftauchen, mit diesen Augen, diesem Mund und diesem Körper, und sie war prompt in die Falle getappt. Mehr war es nicht. Ein kleiner Fehltritt.
Slavica sprach wieder. »Ich brauche Ihren Speichel. Meiner hat keine heilenden Kräfte.«
Natalyas Magen schnürte sich zusammen, und ihre Muskeln verspannten sich vor Protest. »Verdammt!«, knurrte sie und riss die Badezimmertür auf. Sie lief ins Zimmer und griff, ohne zu Vikirnoff zu schauen, nach der Holzschüssel mit schwerer, dunkler Erde. »Also gut«,
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