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Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Titel: Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian V Ditfurth
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Geschichte eingehen als größter Gaunerdilettant aller Zeiten. In einem Brief von Regine war nur der Ausriss aus einer Zeitung: »Ballastfort-Knabbertabletten entpuppen sich als Wundermittel gegen Rheuma«. Er warf den Ausriss mitsamt dem Briefumschlag in den Papierkorb.
    Dann verfinsterten sich seine Gedanken, er dachte an Carmen. Was wollte er von ihr? War ihre Beziehung mehr als eine Flucht vor Anne? Wenn er es denn nur wüsste. In Italien hatte er wenig an Carmen gedacht, aber an Anne. Am besten wäre es, er nähme sich eine Beziehungsauszeit, aber das würden weder Anne noch Carmen verstehen. Natürlich verlangten sie Klarheit. Aber Anne hatte ein Kind von einem anderen. Der Gedanke kreiste eine Weile durch sein Hirn. Er empfand es immer noch als Beleidigung, wie einen Racheakt. Und wenn er sich gar nicht entschied, einfach so weitermachte? Wie lange ginge es gut? Oder war es Anne egal, wenn er nebenbei noch eine Freundin hatte, oder wie man das nennen sollte? Nein, er würde es nicht durchhalten. Er bestimmt nicht.
    Dann arbeitete er wieder, manchmal unterbrach ihn der letzte Anblick von Eleonora in ihrem weißen Kleid. Da musste er lachen. Er schüttelte den Kopf über sich selbst und seine Anwandlungen.
    Am Abend fuhr er mit der Bahn nach Hamburg. Es war zunächst der gleiche Weg wie zum Philosophenturm. Dann stand er vor der Tür von Annes Wohnung und sah seinen Finger zittern, als er die Klingel drückte, obwohl er einen Schlüssel besaß. Nach ein paar Sekunden ihre Schritte. Sie öffnete die Tür, sagte: »Schon da?« und eilte zurück in die Küche. »Sonst brennt es an!«, rief sie ihm zu, ohne sich umzudrehen. Er ging zu ihr in die Küche. »Wo ist der Kleine?«
    »Bei Ruth, ach, die kennst du nicht. Die verdient sich ein bisschen Geld nebenher, wohnt zwei Häuser weiter. Komischerweise mag er sie und findet es dort lustig. Liegt
    wohl an dem Dauerchaos, das dort herrscht. Und Ruth ist nicht so streng wie Mama. Die lässt sich leichter um den Finger wickeln. Wenn er dann nach Hause kommt, ist erst mal wieder erziehen angesagt. Das ist der Preis für ein paar Stunden Ruhe.«
    Auf dem Tisch standen Weingläser, eine Kerze, die noch nicht brannte, Teller und Besteck. Auf dem Herd dampften Töpfe. Stachelmann rührte es, er hatte nichts anderes erwartet als einen Streit. Der konnte ja noch kommen.
    Sie hatte Tagliatelle gekocht mit einer scharf gewürzten Tomatensoße, dazu eine Flasche Nobile di Montepulciano, als gäbe es etwas zu feiern.
    Während sie aßen, sagten sie kaum ein Wort. Ihm schmeckte es, und er wollte fragen, wie sie auf die Idee gekommen sei, für ihn zu kochen. Aber er sagte lieber nichts.
    »Du fragst dich wahrscheinlich, warum ich das hier auffahre?« Sie schaute ihn lächelnd an, aber hinter dem Lächeln lauerte die Strenge.
    Er nickte.
    »Weil ich gerne gut esse und trinke. Aber für einen allein macht es keinen Spaß. Glaub bloß nicht, das sei eine Belohnung für deine« – sie suchte ein Wort – »Eskapaden.«
    Was meinte sie mit Eskapaden? Wusste sie etwas von Carmen, außer dass sie sich kannten?
    »Du, ich muss ...«
    »Lass, es interessiert mich nicht.«
    Das störte ihn aber. Warum interessierte sie es nicht? Und, verdammt, warum ahnte sie immer alles, bevor er etwas gesagt hatte? Hatte Carmen sich offenbart? Kaum, warum sollte sie das tun? Sie las es in seinem Verhalten. Eine bessere Erklärung fand er nicht, sofern er Außerirdisches ausschloss.
    »Ich habe den Thingstättenmord aufgeklärt.« Es klang ein wenig triumphal, so wie: Ich hatte doch Recht. »Das hast du mir schon am Telefon erzählt. Aber es hat dir nichts genützt. Der Polizei auch nicht.«
    »Aber der Kipper wird sich vorsehen mit seiner Anzeige.«
    »Dazu müsste er es erst mal wissen.«
    »Der Köhler wird den anrufen. Schon, damit alle Beteiligten bei einer Version bleiben, sonst wird am Ende doch noch ein richtiger Mord draus.«
    »Verrückt, einem eine geladene Pistole an den Kopf zu halten. Das gibt's doch sonst nur im Kino.«
    »Die haben sich großartig gefühlt, mächtig, waren die besseren Menschen, weil sie den Lauf der Geschichte kannten und auf der richtigen Seite standen. Wenn man fest davon überzeugt ist, dann darf man Dinge tun, die andere nicht tun dürfen. Dann gelten die normalen Regeln nicht für einen, weil die nur für normale Menschen gelten, nicht für jene, die das richtige Bewusstsein haben. Solche Leute halten anderen nicht nur die Knarre an den Kopf, sie drücken auch ab.

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