Schatten des Wolfes - Schatten des Wolfes - Cry Wolf (Alpha & Omega 1)
wieso er sich so schuldig für etwas fühlte, das er getan hatte, bevor er ihr begegnet war.
»Wirst du sie umbringen?«
Dann sah er Anna an, unfähig zu erkennen, was sie darüber dachte. »Ich weiß es nicht.«
Anna biss sich auf die Lippe. »Sie war freundlich zu mir.«
Freundlich? So weit er sagen konnte, war Freundlichkeit weit von dem entfernt, was Anna seit ihrer Veränderung von den Mitgliedern ihres Rudels erfahren hatte. Aber die Sorge in ihrem Gesicht bewirkte, dass er eine scharfe Antwort hinunterschluckte.
»Etwas Seltsames geht in Leos Rudel vor«, war alles, was er sagte. »Ich werde heute Abend genau herausfinden, um was es geht.«
»Wie?«
»Ich werde fragen«, erwiderte er. »Sie wissen es besser, als sich einzubilden, dass sie mich anlügen könnten - und eine Weigerung, meine Fragen zu beantworten, oder eine Weigerung sich mit mir zu treffen, käme einem Eingeständnis ihrer Schuld gleich.«
Sie sah ihn erstaunt an. »Warum können sie dich nicht anlügen?«
Er tippte mit einem Finger an ihre Nase. »Eine Lüge zu riechen, ist ziemlich einfach, es sei denn, man hat es mit jemandem zu tun, der Wahrheit nicht von Lüge unterscheiden kann - aber da gibt es andere Wege.«
Ihr Magen knurrte.
»Das reicht jetzt«, sagte er. Es war Zeit, sie ein bisschen zu füttern. Ein Bagel war nicht genug. »Hol deinen Mantel.«
Er wollte den Wagen nicht mit in den Loop nehmen, wo es schwierig werden würde, einen Parkplatz zu finden, denn seine Stimmung war in ihrer Gegenwart zu unsicher. Er konnte sie auch nicht überreden, ein Taxi zu nehmen - das war eine neue Erfahrung für ihn; nicht viele Leute weigerten sich zu gehorchen, wenn er ihnen sagte, was sie tun sollten. Aber schließlich war sie eine Omega und nicht gebunden an das instinktive Bedürfnis, zu tun, was ein dominanter Wolf verlangte. Mit einem innerlichen Seufzer folgte er ihr ein paar Querstraßen weit zur nächsten L-Station.
Er war zuvor nie in Chicagos erhöhtem Zug gefahren, und ohne eine gewisse störrische Frau wäre er auch diesmal
nicht eingestiegen. Obwohl er zugeben musste - wenn auch nur sich selbst gegenüber -, dass er es eher genoss, als eine rauflustige Gruppe von jungen Schurken, die sich als Teenager ausgaben, beschloss, ihn aufs Korn zu nehmen.
»He, Indianer-Joe«, sagte ein Junge in weiter Kleidung. »Du bist wohl fremd hier, wie? Deine Freundin ist ziemlich scharf. Wenn sie ihr Fleisch schön knackig mag, gibt es hier genug davon.« Er tippte sich selbst auf die Brust.
Es gab wirkliche Gangs in Chicago, die in der Frissoder-werde-gefressen-Welt der Innenstadt aufgewachsen waren. Aber das hier waren nur Nachäffer, die vielleicht wegen des Feiertags nicht in der Schule und gelangweilt waren. Also waren sie auf die Idee gekommen, es würde den Tag ein wenig interessanter machen, Erwachsene zu erschrecken, die nicht zwischen Amateuren und wirklichen Kriminellen unterscheiden konnten. Nicht, dass ein Rudel Jungs unter den falschen Umständen nicht gefährlich sein konnte...
Eine alte Frau neben ihm schrak zurück, und der Geruch ihrer Angst wusch seine Toleranz hinweg.
Charles stand auf, lächelte und sah, wie die Selbstzufriedenheit der jungen Leute angesichts seines Auftretens verschwand. »Ja, sie sieht gut aus«, sagte er. »Aber sie gehört mir.«
»Hey, Mann«, sagte der junge Mann direkt hinter dem, der ihn angesprochen hatte. »Kein Problem, Mann.«
Charles’ Lächeln wurde ausgeprägter, und er beobachtete, wie sie sich rückwärts bewegten. »Es ist ein schöner Tag. Ich denke, ihr solltet euch auf den leeren Sitzen dort vorne niederlassen, von wo aus ihr euren Weg deutlicher sehen könnt.«
Sie eilten nach vorn, und nachdem sie sich alle hingesetzt hatten, ließ Charles sich wieder neben Anna nieder.
Er sah so zufrieden aus, als er sich wieder hinsetzte, dass Anna ein Grinsen unterdrücken musste, aus Angst, dass die Jungs zurückschauen und denken würden, dass sie über sie lachte.
»Das war ein hervorragendes Beispiel für eine Testosteronvergiftung«, stellte sie fest. »Sind als nächstes die Pfadfinderinnen dran?«
Charles’ Augen glitzerten amüsiert. »Jetzt wissen sie, dass sie ihre Beute sehr viel vorsichtiger auswählen müssen.«
Anna fuhr nur noch selten zum Loop - alles, was sie brauchte, konnte sie auch näher an ihrer Wohnung bekommen. Charles kannte diese Gegend offensichtlich besser als sie, obwohl er nur zu Besuch war. Er wählte die Station, an der sie ausstiegen, und
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