Schatten eines Gottes (German Edition)
ist wahr, zum Teufel gejagt. Jedenfalls dürfte er inzwischen dort angekommen sein.«
»Seid doch nicht so hart. Als wir uns das erste Mal begegneten, wolltet Ihr mich noch zum Manne nehmen.«
»Das war ein Scherz.«
»Hört, Jungfer Spitzzunge. Ich könnte Eure Lebensgrundlage erheblich verbessern, ein kleines Geschäft auf Gegenseitigkeit, was haltet Ihr davon?«
Agnes’ Antwort kam eiskalt: »Nichts!«
»Das nehme ich Euch nicht ab, Jungfer Rührmichnichtan. Ihr habt doch keinen Ruf zu verlieren.«
Agnes schnaubte verächtlich. »Einen Ruf wohl nicht, aber meinen guten Geschmack.«
Octavien lachte. »Wollt Ihr denn Euer Leben lang die Leute beschwindeln?«
»Muss ja nicht für immer sein. Irgendein braver Handwerksbursche wird mich schon nehmen.«
»Irgendein Handwerksbursche? Seid doch nicht so einfältig. Ihr seid eine Fremde ohne Vergangenheit. Niemand wird Euch nehmen, ich meine ehelichen. Aber ich könnte etwas für Euch tun.«
Agnes steckte ein Klumpen Wut im Hals. Nicht was Octavien sagte, ärgerte sie. So hatten schon viele Männer mit ihr geredet und ihr eindeutige Angebote gemacht. Aber von dem Ritter Hochnäsig, der manchmal so nette Worte fand und den sie – ja, den sie mochte, von dem hatte sie etwas anderes hören wollen. Und so war ihre Wut in erster Linie aus der Enttäuschung geboren. Aber sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Das wäre ja noch schöner, wenn sie zugab, dass sie verletzt war.
Sie legte den Kopf schief. »So, und was wäre das?«
»Hm.« Er hatte ihr eigentlich Geld anbieten wollen, aber er hatte das Gefühl, dieses Angebot sei momentan nicht angebracht. »Ich könnte Euch mitnehmen.« Ganz spontan und beinahe gegen seinen Willen war ihm das herausgeplatzt.
Plötzlich hatte er Agnes’ ganze Aufmerksamkeit. »Mitnehmen? Wohin?«
»Nach Aachen, dort hat meine Mutter ein Landgut.«
Ihre Augen funkelten. »Als Euer Eheweib?«
»Als mein …? Nun, natürlich nicht, mein Orden …«
Agnes’ Funkeln verschwand, ihre Stimme sackte zusammen, wurde tonlos. »Ich verstehe. Als Eure Dienstmagd, die Ihr dann ab und zu im Heuschober beglücken könnt. Das zählt ja nicht, wenn man über eine wie mich rübersteigt.«
»Agnes! Bitte! Drücke dich doch nicht so vulgär aus!«
»Ich bin vulgär. Ich lebe größtenteils auf der Straße. Ich passe nicht zu Euch. Und außerdem habt Ihr mich schon wieder geduzt. Verschwindet!«
Octavien biss sich auf die Lippe. Er hatte natürlich alles falsch gemacht. Das kam daher, dass er den Umgang mit einfachen Frauen nicht gewohnt war. Unter seinesgleichen gab es Regeln, an die man sich halten konnte.
»Es stimmt, ich kann Euch nicht zur Frau nehmen«, erwiderte er belegt. »Aber Ihr hättet es dort besser. Ich würde Euch ein kleines Haus mit einem Stück Land geben. Ihr stündet unter dem Schutz derer von Saint-Amand.«
Einen Augenblick überlegte sie. Tränen drohten in ihr aufzusteigen. Sie räusperte sich. Nur das nicht. Niemals durfte er sie weinen sehen. »Ihr meint es vielleicht gut«, erwiderte sie rau, »aber es geht nicht. Und fragt nicht, warum, Ihr kommt schon drauf, wenn Ihr nachdenkt.«
Agnes war verletzt, sie war traurig, und Octavien fühlte sich schlecht. Weshalb war es mit Frauen so kompliziert? Und warum konnte er sich nicht in eine standesgemäße Frau verlieben? Er hätte sie jetzt gern in die Arme genommen, sie ganz ohne Hintergedanken getröstet, aber er wusste, sie würde das falsch auffassen.
Sie war so stolz. Worauf gründete sich ihr Stolz? Sie war nicht einmal das, was man eine ehrbare Frau nannte. Menschen ihres Standes stand kein Stolz zu, er empfand das als anmaßend. Menschen wie ihresgleichen lebten vom Abglanz der Höhergestellten, so wie auch ein Kieselstein nur glänzt, wenn das Licht darauf fällt, und nicht aus sich allein leuchtet.
»Ich verstehe Euch nicht, Agnes«, erwiderte Octavien mit bitterem Unterton in der Stimme. »Ihr seid eine begehrenswerte Frau, weshalb seid Ihr so starrköpfig? Euer Aussehen ist Euer Kapital, aber Ihr werdet nicht ewig jung sein. Eine Frau wie Ihr sollte zugreifen, wenn ihr das Schicksal eine Chance bietet. Ich hätte diese Chance sein können, Agnes, aber Ihr sucht Euer zweifelhaftes Vergnügen bei Schönlingen, bei einem Mönch, der Euch nichts zu bieten hat.«
»Euer Angebot ehrt mich«, höhnte Agnes, »sicher bin ich Euch tausendmal zu Dank verpflichtet, Herr Ritter. Aber ich bin mit meinem Leben bisher ganz gut ohne Männer fertig
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