Schatten eines Gottes (German Edition)
musste in sich gefestigt sein, das war er nicht. In ihm war eine schlimme Unrast.
Emanuel und Bernardo besuchte er regelmäßig. Er redete sich ein, dass er wegen Sarmad kam, aber er wusste es besser. Wann es ihm zum ersten Mal aufgefallen war, erinnerte er nicht mehr, aber etwas war zwischen den beiden, das ihn irritierte. Bei anderen Männern hätte er geschworen, die beiden hätten ein Verhältnis, aber Sarmad würde sich eher die Hand oder etwas anderes abhacken, als jemanden so nahe an sich heranzulassen. Seine Abneigung gegen das Körperliche hatte etwas Abwegiges, es erfüllte ihn geradezu mit Furcht. Andererseits ging er mit Bernardo stets liebevoll um, er berührte ihn an der Schulter, am Arm, legte ihm seine Hand auf. Es waren Berührungen wie zwischen Brüdern oder Mutter und Kind.
Dieser Einfaltspinsel!,
ärgerte Sinan sich oftmals.
Er weiß überhaupt nicht, was für ein Goldstück von Mann da an seiner Seite lebt. Und Bernardo ist viel zu nachgiebig und gutmütig, um seine eigenen Bedürfnisse bei Sarmad durchzusetzen.
Sinan war davon überzeugt, dass Bernardo, der voller Saft und Kraft war wie ein junger Baum und der ohne Frauen lebte, sich nur aus Rücksichtnahme enthielt. An wahre Keuschheit hatte Sinan nie geglaubt. Entweder war sie vorgetäuscht oder der Mann war krank gemacht worden so wie Sarmad.
Emanuel hatte sich in die Bibliothek begeben, und Bernardo sich auf sein Zimmer zurückgezogen, um die Arbeiten seiner Schüler durchzusehen. Sinan klopfte und trat ein. Bernardo sah hoch. »Ach du bist es«, sagte er zerstreut. »Setz dich doch, Sinan, ich bin gleich fertig. Oder wolltest du mir etwas Wichtiges sagen?«
Sinan setzte sich auf den Diwan und betrachtete Bernardo, wie er über die Pergamentstücke gebeugt saß, die für den Unterricht benutzt wurden. Heimlich schwelgte er im Anblick dieses Mannes. Das edle Profil, das dunkle Haar, das ihm in die Stirn fiel, der kühne Schwung seines Nackens, die kräftigen Schultern, schmale, sensible Hände, die geschäftig mit den Pergamenten hantierten. Muskulöse Schenkel, die unter der knielangen Tunika hervorschauten. Und das alles, um tintenbefleckte Pergamente zu lesen und Sarmad der liebende Mönchsbruder zu sein. Mit anderen Worten, gezügelte Leidenschaft und Verschwendung von Schönheit und Kraft in höchstem Maße.
»Es ist etwas Wichtiges, ja. Und ich wäre gern ungestört dabei. Wird Sarmad bald zurückkommen?«
Bernardo lächelte. »Er ist in der Bibliothek, das heißt, er wird vor dem Abend nicht zurück sein. Worum geht es denn? Ich kann den Rest auch später durchsehen.« Er legte die Pergamente zur Seite.
»Du kennst mich, Bernardo, ich komme gern ohne Umschweife zur Sache.«
»Gewiss. Dann tu es auch und erwähne es nicht umständlich.«
Sinan lächelte. »Du hast recht. Also gut. Ich bin ausgehungert, und du bist die gute Mahlzeit, die mir jedes Mal, wenn ich in euer Haus komme, vorgesetzt wird, von der ich aber nicht kosten darf.«
Bernardo hob amüsiert die Augenbrauen. Er wusste sofort, was Sinan meinte. »Du machst mir ein unsittliches Angebot? Wer hätte das gedacht. Aber du weißt schon, dass ich mit deinem Bruder zusammen bin?«
Sinan schnaubte verächtlich. »Zusammen! Ihr lebt zusammen, was heißt das schon? Findest du bei ihm die wahre Erfüllung, wie sie zwischen zwei Männern, die keine Frauen erkennen, gelebt werden sollte?«
»Du stellst sehr intime Fragen, Sinan. Aber damit du erkennst, dass du dich im Irrtum befindest, will ich dir verraten, dass Emanuel und ich uns diese Erfüllung gegenseitig verschaffen.«
Sinan starrte ihn an. »Er lässt dich …? Ich wollte sagen, Sarmad gestattet dir tatsächlich, ihn zu berühren? Du weißt schon wo.«
»Ja, das gestattet er mir.«
»Hm, dieses Bürschlein! Das hätte ich nie für möglich gehalten«, murmelte Sinan enttäuscht. Dann blitzten seine Augen in altgewohntem Schalk. »Aber zum Äußersten ist es zwischen euch noch nicht gekommen?«
Bernardo räusperte sich. »Sinan, das …«
»… das sollte ich nicht fragen, willst du sagen. Aber ich muss es tun, und ich werde es tun, denn ich – beim heiligen Joseph, ich will es! Ich brauche es! Mit dir. Jetzt und hier. Verstehst du?«
Bernardo war durch Sinans stürmisches Werben jetzt doch ein wenig verunsichert. »Emanuel …«, setzte er zögernd an, doch Sinan unterbrach ihn ungeduldig: »Ich sehe es dir an, dass du das, was wirklich zählt, dass du die allerhöchste Lust noch nicht kennengelernt hast.
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