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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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erreichen.«
    Und als sie zögerten, drängte er sie leicht, dabei berührte er Damian an der Schulter. Der zuckte zusammen wie von einem Schlag getroffen. Niemand berührte die Henkerssöhne, das brachte Unglück.
    »Was ist denn? Habt ihr etwa Angst? Die braucht ihr nicht zu haben. Der Herr ist mit uns. Vertraut mir. Ah ja, ihr habt ja noch gar kein Kreuz.«
    »Wir …«
    »Schon gut.«
    Der Mönch griff in eine Umhängetasche und holte zwei Stoffkreuze hervor. »Es geht vielen so wie euch. Wir Dominikaner haben deshalb fleißig Kreuze zuschneiden und nähen lassen. Hier. Nehmt sie ruhig, sie kosten nichts. Das Kreuz ist das Heil, und das Heil wird aus Gnade gegeben.«
    Die Brüder konnten es nicht fassen. Man schenkte ihnen etwas? Sie wurden rot und bedankten sich stotternd.
    »So, jetzt kommt mit. Unterwegs werden wir bestimmt ein paar flinke Mädchenhände finden, die euch die Kreuze auf die Kleider heften können.«
    Verwirrt, aber auch erleichtert stolperten sie hinter dem Mönch her. Auf dem Weg schlossen sich ihnen noch andere Kinder an. Alle lachten und sangen, und bevor sich’s die beiden Brüder versahen, waren sie von ihnen in die Mitte genommen. Jungen und Mädchen umarmten sie und hießen sie im Namen Jesu willkommen. Daniel und Damian legten ihre Umhänge ab, wickelten ihre Bücher hinein und stiefelten stumm vor Staunen und Glück mit den anderen mit. Erkannte denn niemand von ihnen, wer sie waren? Offensichtlich nicht. Was für ein großartiges Gefühl, von den anderen angenommen zu werden, ganz vorbehaltlos, ohne zu fragen, ohne zu argwöhnen. Einer half dem anderen. Gleich drei, vier Mädchen wetteiferten darum, ihnen die Kreuze auf die Umhänge zu nähen. Es war eine Freude, ihnen dabei zuzusehen und dabei angelacht zu werden. Ein sommersprossiger Junge schenkte ihnen Sandalen. Ihre schüchternen Einwände wurden nicht beachtet. ›In Jerusalem werden wir goldene Sandalen tragen!‹, hieß es. Und so verstauten sie ihre Winterstiefel ebenfalls in ihren Umhängen, die sie zu tragbaren Bündeln geschnürt hatten.
    Nur einer war jemals so gut zu ihnen gewesen, Nicholas Hardevust, der Engel von Köln. Aber er war so etwas wie ein Heiliger. Und nun schien sich ganz Köln in lauter Heilige verwandelt zu haben. Daniel und Damian wandelten dahin wie im Traum. Manchmal schlug sie das schlechte Gewissen, sie meinten, sie müssten den anderen die Wahrheit über sich sagen, damit der Fluch des Henkers nicht über sie alle komme. Doch sie brachten es nicht fertig.
    Als sie sich jedoch dem Sammelplatz auf dem Hahnenkammhügel näherten, schien das Verhängnis über sie hereinzubrechen. Der weißhaarige, leicht gebeugte Mann, der jetzt auf den Dominikaner zuging, war niemand anderes als Pater Osmund von St. Columba. Die beiden Männer umarmten sich kurz und beredeten sich eine Weile. So sehr sich Daniel und Damian auch bemühten, in der Menge unterzutauchen, der Blick des Paters fiel doch auf sie. Die Brüder standen da wie gelähmt, als er auf sie zukam, und hätten sich gern unsichtbar gemacht. Das geliehene, aber eigentlich gestohlene Buch wurde zu glühender Kohle in ihrem Bündel.
    Das gütige Lächeln des Paters machte Erstaunen Platz. »Daniel und Damian? Ihr seid auch hier? Was für eine Freude!«
    »Bitte Pater, verratet uns nicht«, flüsterte Daniel, während Damian sich an ihn klammerte und ihm speiübel vor Angst wurde.
    »Verraten? Was sollte ich denn verraten?« Pater Osmund schlug nach einer Fliege auf seiner Wange. »Fort, du Dienerin des Teufels. Auch tausend Fliegen werden uns nicht abhalten, nach Jerusalem zu marschieren.«
    Er lachte und zwinkerte den Jungen zu.
    »Es weiß doch hier keiner, wer unser Vater ist«, hauchte Daniel.
    »Ja, dass wir Ehrlose sind«, fügte Damian leise hinzu.
    »Ach was, Schnickschnack! Alle, die das Kreuz genommen haben, sind Brüder und Schwestern im Herrn. Es gibt hier weder Herren noch Knechte, nur wahre Gläubige. Amen.«
    »Ihr meint, es spielt überhaupt keine Rolle?«
    »So wenig wie den Maulwurf das Fliegen kümmert.«
    Damian stieß Daniel an. »Das Buch«, flüsterte er.
    Daniel sah zu Boden. »Wir haben auch etwas gestohlen.«
    »So?« Pater Osmunds Stimme wurde strenger. »Hier, wo jeder dem anderen beisteht, ist es nicht notwendig zu stehlen. Also, heraus mit der Sprache, was ist es denn?«
    Daniel holte das Buch aus dem Umhang hervor. »Das gehört Euch, Pater. Wir – wir wollten es zurückgeben, ganz bestimmt, sobald wir …«
    Da lachte

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