Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
Vom Netzwerk:
Sonne auf ihnen glitzerte. Kleine rote Krebse paddelten um sie herum. Goldbraun glänzende Frösche hüpften vom Ufer ins Wasser, grün schillernde Eidechsen huschten von heißen Steinen.
    War das alles immer schon da gewesen?
, fragte er sich. Vorher hatte er überall nur Baumstämme gesehen, Holz für den Meiler. Und nun hatte ein Engel den Wald mit Leben erfüllt und mit seinem Lichtfinger überall Farbtupfen hingesetzt.
    Als sie aus dem schützenden Wald heraustraten, verflog Adams Hochgefühl wieder, und es war ihm beklommen zumute, wenn er an den langen Weg dachte und an die lärmende, überfüllte Stadt. Gleich hinter der nächsten Wegbiegung bemerkten Adam und Merte, dass sie nicht allein waren. Gleich Rinnsalen sammelten sich aus allen Richtungen Kinder und strebten der Hauptstraße zu, um sich dort wie zu einem strömenden Fluss zu vereinen. Viele trugen grüne Zweige in den Händen und sangen. Kreuze in allen Farben, genäht aus bunten Flicken, waren an ihre Kleider geheftet. Die Kleinsten waren höchstens sechs Jahre alt. Sie konnten noch nichts wissen vom heiligen Jerusalem und klammerten sich an die Hände ihrer größeren Geschwister.
    Mit Merte reihte er sich ein in die Schar der Kinder, und bald fühlte er sich von der Menge getragen, mitgerissen von der fröhlichen und hoffnungsvollen Erwartungshaltung. Seine Zuversicht strahlte auch auf Merte aus, die mit großen Augen um sich schaute. Noch nie hatte sie den Wald verlassen, und nun bestaunte sie das weite Land und die vielen Menschen, die so glücklich aussahen, als hätte man ihnen Zuckerwecken versprochen. Sie drückte freudig erregt die Hand ihres Bruders und war kein bisschen ängstlich. Als sie gar die Stadtmauer mit ihren vielen Toren und Türmen erblickte, war sie völlig gebannt und glaubte, sie hätten bereits jenes geheimnisvolle Jerusalem erreicht.
    Adam erklärte ihr, das sei Köln und Jerusalem noch ziemlich weit weg, Genaues wisse er aber auch nicht. Er packte sie bei der Hand und ermahnte sie, sich nicht loszureißen, damit sie einander nicht verloren gingen. Obwohl die Menschenmenge sich auf die vielen Stadttore verteilte und niemand sie aufhielt – die Torwächter waren nicht einmal zu sehen –, herrschte doch überall großer Andrang, und der Zug kam ins Stocken. Das erinnerte Adam an sein erstes Erlebnis in Köln, aber diesmal war er nicht allein. Flüchtende Schweine hatte er nicht zu befürchten, die hatten sich wohl verkrochen. Die Straßen waren gesäumt von Kölner Bürgern, die den Kindern Blumen und Süßigkeiten zuwarfen.
    Da Adam nicht wusste, wo der Sammelplatz war, ließ er sich einfach mit dem Strom treiben. Aber durch Sprachfetzen, die an sein Ohr drangen, erfuhr er, dass sie alle dem Domplatz zustrebten, wo sich auch Nicholas aufhalten sollte. Doch bevor Adam auch nur einen Dachziegel des Doms erblicken konnte, ging es nicht mehr weiter. Der Platz hatte die Massen nicht aufnehmen können, sodass sie sich bis in die Nebenstraßen stauten. Adam und Merte fanden sich eingekeilt in einer der engen Gassen. Adam reckte den Hals, hüpfte in die Höhe, um etwas zu sehen, doch vergeblich. Er hätte gern Nicholas begrüßt, doch das schien aussichtslos zu sein.
    Merte drängte sich fest an ihn. »Adam! Ich habe Angst, sie erdrücken mich!«
    Adam umfing sie schützend mit seinen Armen, während er nach einem Ausweg aus dem Gewühl suchte. Vorwärts ging es nicht, und wegen der Nachdrängenden auch rückwärts nicht. Fuß um Fuß, Merte mit sich ziehend, kämpfte er sich zum Straßenrand durch, wo seine Hand einen Türrahmen zu fassen bekam. Während er Merte in die Nische zerrte, klammerte er sich am Türklopfer fest, um von der Menge nicht wieder mitgerissen zu werden. Er schalt sich einen Dummkopf, dass sie sich blindlings von der Menge hatten fortreißen lassen, statt abzuwarten, bis der Zug aufbrach und ihm dann zu folgen. Doch Adam wusste, was ihn getrieben hatte. Er wollte Nicholas wiedersehen, sich bei ihm noch einmal bedanken und ihm zeigen, dass er selbst auch dabei war.
    Von den sich vorwärts wälzenden Kindern wurden sie immer stärker gegen die Tür gedrückt, die plötzlich nach innen aufsprang. Adam und Merte purzelten rückwärts in einen dunklen Raum und landeten auf etwas Weichem. Die Luft war trocken, es roch nach Korn und nach Pferden. Während Adam seiner Schwester mit der rechten Hand aufhalf, befühlte seine linke die Säcke. Irgendein Getreide, wahrscheinlich Hafer oder Gerste. »Hier sollten wir

Weitere Kostenlose Bücher