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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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nachfolgen, wie er es von seinen Anhängern gefordert hatte, wollten sie nicht. Sie wollten herrschen, sich bereichern und am Bösen erfreuen. Deshalb beraubten sie Mithras all seiner göttlichen Attribute und bekleideten ihren Gekreuzigten damit, denn die Menschen sollten sich von Mithras abwenden. Sie woben Legenden um den neuen Heiland, die sie Mithras’ Leben entliehen hatten, denn ihr Heiland war tot, am Kreuz gestorben, und konnte keinen Einspruch mehr erheben.
    Sinan fand die Christen hassenswert und abscheulich. Eines Tages würde er hinausgehen in diese verdorbene Welt. Dann wollte er dazu beitragen, die Geißel des Christengottes von den Menschen zu nehmen, die sich in der Person eines bösen Mannes in Rom manifestierte. In ihm und der seiner Helfershelfer, der Kardinäle, Bischöfe und Mönche. Diesem Tag fieberte Sinan entgegen.
    In den nächsten Jahren vervollkommnete er sich im Waffenhandwerk und studierte höfisches Benehmen, wie man es von einem Ritter erwartete. Nebenbei studierte er das Avesta und die heiligen Schriften der Christen. Er befand sich auf der Stufe des Mars und war sechzehn, als er sich auf die schwersten der nützlichen Künste vorbereitete. Auf die Kunst des Täuschens, des lautlosen Tötens und die Kunst der Selbstbeherrschung.
    ***
    Sinan kniete vor Nathaniel, dem Meister des Lichtes. Er war jetzt zwanzig Jahre alt. Ein Weihrauchgefäß, ein Sistrum und ein hölzernes Blitzbündel lagen auf dem Altar und wurden mit heiligem Öl benetzt. Dann besprengte ihn der Meister mit geweihtem Wasser. »Du musst jetzt bereit sein, den furchtbarsten aller Grade zu erwerben, den des Löwen. Der Löwe ist ein Tier, und als solches verkörpert er nicht nur Menschliches oder gar den reinen Geist. Er ist stolz und mutig, königlich und wehrhaft, aber auch wild und grausam. Er steht für das alte Ungeheuer Chumbaba, für Ahriman, für Satan, für das Böse. Er muss errungen werden um der Erkenntnis willen. Du musst selbst Böses tun, um zu lernen, was es aus dir macht, denn nur, was man kennt, kann man bekämpfen und überwinden.«
    »Ja, Meister.«
    »Bist du bereit für diese Weihe?«
    »Ich bin es, Meister.«
    »Dann trinke diesen Aufguss aus heiligen Kräutern. Du wirst schlafen und deine Seele auf eine Reise schicken. Nach dem Erwachen wirst du mir deinen Traum erzählen. Um dich vorzubereiten auf die Welt und die Aufgaben, die dich in ihr erwarten.«
    Sinan trank wie befohlen und fiel in einen tiefen Schlaf. Nathaniel betrachtete ihn nachdenklich. Er war sicher, er hatte den Jungen zu biegsamem Stahl geschmiedet. Unzählige Prüfungen hatte er durchlaufen, jeder Fehler war unnachsichtig ausgemerzt worden. Er war hart wie ein Diamant. Nun war seine Zeit gekommen, sich in der Welt zu bewähren und der Aufgabe gerecht zu werden, die Nathaniel für ihn vorgesehen hatte.
    Als Sinan erwachte, war er schweißgebadet, und er zitterte. Er hatte geträumt, er sei der Anführer einer wilden Horde gewesen, die mordend und brandschatzend durch das Land zog. Gespießte Kinder und aufgeschlitzte Frauen säumten seinen Weg, und an den Bäumen hingen verstümmelte Krieger. »Verbrennt sie! Verbrennt sie alle!«, hörte er sich rufen. Dann verschlang ein riesiges Feuer die Leichname, und er stürmte vorwärts, um weiter zu töten.
    »Erzähle mir, was du geträumt hast, Sinan.« Der Meister stand an seinem Lager.
    Sinan setzte sich auf, schaute verwirrt um sich und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich hatte einen furchtbaren Albtraum.« Und er erzählte ihn dem Meister. »Es war etwas in dem Trank, nicht wahr?«, fragte er zum Schluss. »Du mischtest Pilze und Kräuter hinein. In ihnen wohnen Dämonen, das weiß ich längst. Nur sie können solche Visionen schicken.«
    »Ja, du hast recht, Sinan. In diesem Falle war es nur ein Traum. Aber diese Dinge geschehen wirklich, heute, morgen und zu jeder Zeit. Sie werden von Menschen begangen, nicht von Dämonen.«
    »Wozu hast du mir diesen Traum geschickt, Meister? Worauf willst du mich vorbereiten?«
    »Was hast du bei diesen Bildern empfunden?«, überging Nathaniel seine Frage.
    Sinan hatte sich inzwischen gefasst. Er gab seinen Gesichtszügen einen nichtssagenden Ausdruck. Was er dabei gefühlt hatte, das wusste er, aber was der Meister hören wollte, war womöglich etwas anderes. »Ich empfand nichts als Grauen, es war schrecklich. Ich wollte, dass es aufhört.«
    Nathaniel nickte, als sei er mit der Antwort zufrieden, aber seine Augen verengten sich

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