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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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vernünftiger Mann und neigte nicht wie manche hysterische Nonnen zu Visionen. Emanuel zog es vor, erst einmal praktisch zu handeln. Vorsichtig tastete er sich zur Tür. »Warte hier. Ich hole eine neue Kerze.«
    Aus der Kiste mit den vielen Kerzenstummeln, die sie aus den Kirchen erbettelt hatten, holte Emanuel den größten, zündete ihn an und trug ihn in die Zelle zurück. Er fand Bruder Bernardo auf den Knien liegend vor. Emanuel stellte die Kerze auf den Tisch. »Nimm den Stuhl, Bruder, ich setze mich hier auf den Betschemel. Und dann erzähle mir von dem himmlischen Feuer.«
    Bruder Bernardo setzte sich. In dem Raum war es so eng, dass sich ihre Knie berührten, was Emanuel unwillkürlich zusammenzucken ließ. Doch Bernardo merkte nichts davon. Eifrig beugte er sich vor: »Du kennst die Geschichte des Saulus, der bei Damaskus von einem Blitz getroffen wurde und dem der Herr erschienen ist?«
    Emanuel nickte. »Wer kennt sie nicht? Aus dem Christenverfolger Saulus ist der gläubige Christ Paulus geworden.«
    »Auch mir ist heute etwas Ähnliches zugestoßen. Ja, ich kann sagen, ich hatte mein Damaskuserlebnis.«
    Zweifelnd hob Emanuel die Brauen. Aber dann traf ihn dieser offene, leuchtende Blick. Was für eine Ausstrahlung ging aus von diesem Mann! Was auch immer er erlebt hatte, er glaubte inbrünstig daran. »Willst du damit sagen, du seiest verwandelt worden?«
    »Nein, ich bin noch derselbe. Aber der Blitz! Das Licht! Die Erkenntnis!«
    »Erkenntnis worüber?«
    »Die Erkenntnis, auf welche Weise die Sünden der gesamten Christenheit abgewaschen werden können. Täglich predigen wir den Leuten einen neuen Kreuzzug, aber unsere Worte verhallen ungehört. Warum ist das so? Hast du darüber noch nie nachgedacht, Bruder?«
    »Weil die Menschen verstockt sind.«
    »Und warum verstockt der Herr ihre Herzen? Weil alle bisherigen Kreuzzüge sündhaft waren, denn sie sind mit dem Blut Unschuldiger besudelt.«
    »Du nennst die Ungläubigen unschuldig?«
    »O ja, sie bedürfen unserer Liebe, nicht unseres Hasses. Nur dann werden sie sich Jesus Christus zuwenden.«
    »Wir beten um Erleuchtung ihrer Seelen, mehr können wir nicht tun.«
    »Und schicken neben den Gebeten bewaffnete Krieger, die alles niedermetzeln? Dieser Art von Gebeten verschließt der Herr seine Ohren. Die Christen müssen sich zusammenschließen zu einem neuen, zu einem wahrhaftigen Kreuzzug, der den Namen verdient. Es ist an der Zeit, ihnen die reinsten Seelen zu schicken, unsere Kinder!«
    »Kinder?«
    Emanuel glaubte, sich verhört zu haben. »Kinder sind doch den Barbaren gegenüber völlig machtlos und hilflos.«
    »Vergib mir Bruder, aber du irrst. Kinder besitzen die Macht, die die Unschuld verleiht. Und sie werden Gott den Herrn an ihrer Seite haben.«
    Emanuel versagte sich ein spöttisches Lächeln.
Wenn Gott stets an der Seite der Unschuldigen gewesen wäre, dann würden die Menschen nicht schon auf Erden das Fegefeuer erleben.
Aber er verzog keine Miene. »Du vergisst, Bruder Bernardo, dass dieser Kreuzzug nicht im Himmel stattfinden soll, sondern auf dieser mit Natterngezücht bevölkerten Welt. Kindliche Unschuld gegen heidnische Sarazenen, das ist ein wundervolles Bild, das wäre ein erhebender Choral, aber die Verwirklichung dieser Vision ist unmöglich.«
    Er räusperte sich und rutschte vergeblich auf seinem Betschemel herum, aber seine Knie scheuerten nur noch nachhaltiger an den Knien des Bruders entlang. »Wie kam es denn dazu, dass dir diese Erleuchtung zuteilwurde?«
    »Es begann in St. Peter«, erwiderte Bernardo, während er ihm nachdrücklich seine warme Hand auf den Schenkel legte, »dort hörte ich einen Knaben beten.«
    Emanuel fühlte sich bedrängt. Wusste der Bruder nicht, dass sich Mönche nicht berühren durften, wenn sie miteinander sprachen? Sollte er ihn darauf aufmerksam machen? Aber er brachte es nicht fertig, denn Bernardo erzählte nun ausführlich und in aller Unschuld, wie der Patriziersohn Nicholas sich um die Ärmsten gekümmert habe und selbst die Berührung des Henkers nicht gescheut hatte. »Du hättest ihre Augen sehen sollen, Bruder Emanuel! Die Augen jener Kinder. Greisenhafte Gesichter wurden wieder jung. Sie nannten den Knaben den Engel von Köln.«
    Alle Kinder freuen sich über Zuckerwerk,
dachte Emanuel unbeeindruckt, aber Bernardo fuhr fort: »Man muss diesen Verlorenen nur ein großes Ziel geben, eine starke Hoffnung, und sie werden ihr altes, elendes Leben hinter sich lassen und es für

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